Sozialversicherungspflicht: Lohnbuchhalter muss Mandanten in die Pflicht nehmen

Ein Lohnbuchhalter muss die Statusfrage für Mitarbeiter seiner Mandanten grundsätzlich nicht eigenverantwortlich klären – auch nicht, wenn er Steuerberater oder Rechtsanwalt ist. Stößt er aber auf Unklarheiten, muss er laut BGH den Mandanten auffordern, die Sozialversicherungspflicht zu klären.

Eine Kanzlei aus Rechtsanwälten und Steuerberaterinnen machte für ein von ihr beratenes Unternehmen seit dessen Gründung die Lohnbuchhaltung. Für die drei Geschäftsführer-Gesellschafter wurden keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, sie wurden als selbständig behandelt.

Inwieweit die Beratungsgesellschaft mit der steuerlichen bzw. rechtlichen Beratung der Gesellschafter beauftragt war, ist zwischen den Parteien streitig, neben der Kanzlei berieten auch die Handelskammer und ein Versicherungsmakler die klagende GmbH. Nachdem die Deutsche Rentenversicherung bei einer Betriebsprüfung Nachzahlungen in Höhe von rund 260.000 Euro festgesetzt hatte, verklagte die GmbH die Kanzlei auf Schadensersatz dem Grunde nach. Die Vorinstanzen waren sich einig und gaben der Klage statt: Der Kanzlei hätte sich die Frage, ob hier eine für die Sozialversicherungsfreiheit erforderliche unabhängige Tätigkeit der einzelnen Gesellschafter-Geschäftsführer vorliegen konnte, geradezu aufdrängen müssen. Die Revision der Kanzlei hatte Erfolg.

Lohnbuchhaltung ist keine Rechtsberatung – auch nicht von STB oder RAin

Der für das Steuerberaterrecht zuständige IX. Zivilsenat des BGH kann hingegen zwar eine Pflichtverletzung, aber (noch) keine Schadensersatzpflicht erkennen (BGH, Urteil vom 08.02.2024 – IX ZR 137/22). Dazu hält der BGH zunächst fest, dass für einen Lohnbuchhalter grundsätzlich keine eigene Pflicht zur sozialversicherungsrechtlichen Beratung besteht. Lohnbuchhaltung sei keine Rechtsberatung, sondern eine Hilfeleistung bei der Erfüllung der Buchführungspflichten.

Dies gilt, wie der Senat unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich noch einmal feststellt, auch dann, wenn eine Steuerberaterin, ein Rechtsanwalt oder eine aus Steuerberaterinnen und Rechtsanwälten bestehende Berufsausübungsgesellschaft ein reines Lohnbuchhaltungsmandat übernimmt. Die (Haupt-)Pflichten eines Mandats bestimmten sich, so der BGH, nach dem konkret übernommenen Auftrag. Dieser lege fest, welche (Rechts-)Kenntnisse sich der Auftragnehmer verschaffen muss.

Bei Anlass zu Zweifeln: Lohnbuchhalter muss Auftraggeber zur Statusklärung anhalten

Anders sieht das Ganze für die Karlsruher Richterinnen und Richter aber dann aus, wenn der Auftraggeber wie hier keine eindeutige Anweisung in Bezug auf die Statusfrage für einen bestimmten Mitarbeiter gegeben habe. Fehle eine solche verbindliche Vorgabe, "hat der Lohnbuchhalter auf eine Klärung der Statusfrage durch den Auftraggeber hinzuwirken".

"Hat der Lohnbuchhalter auf eine Klärung der Statusfrage durch den Mandanten hinzuwirken, muss er dem Mandanten die Möglichkeit einer rechtssicheren Klärung aufzeigen", fordert der BGH. Mit diesem Rechtsgrundsatz entwickelt er seine bisherige Rechtsprechung zu den Pflichten eines Lohnbuchhalters fort. Der Lohnbuchhalter müsse seinen Mandanten anhalten, etwa anwaltlichen Rat einzuholen oder die Statusfrage im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens oder eines Verfahrens vor den Einzugsstellen der Krankenkassen klären zu lassen. Dann müsse er ihn um Entscheidung zum weiteren Vorgehen und zur statusrechtlichen Behandlung des betroffenen Mitarbeiters im Rahmen der Lohnbuchhaltung ersuchen.

Der BGH moniert, dass das OLG Koblenz nicht festgestellt habe, wie die GmbH reagiert hätte, wenn die Kanzlei ihr die Möglichkeit einer rechtssicheren Klärung aufgezeigt hätte. Ein Mitverschulden des Unternehmens nach § 254 BGB kann der Senat nicht von vornherein ausschließen und schickt die Sache daher ans OLG zurück. Die Vorinstanz müsse prüfen, ob die GmbH zur Frage der Sozialversicherungspflicht ihrer Geschäftsführer vom Versicherungsmakler und der Handwerkskammer unterschiedlich beraten worden sei (das behauptete die beklagte Kanzlei). Denn dann hätte die GmbH selbst erkennen können und müssen, dass eine fachkundige Überprüfung angezeigt wäre, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Ein Mitverschulden wäre, so der BGH, allerdings zu verneinen, wenn die beklagte Kanzlei die Beratung der GmbH zur Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer übernommen hätte.

BGH, Urteil vom 08.02.2024 - IX ZR 137/22

Redaktion beck-aktuell, ns, pl, 19. Februar 2024.