Leit­ent­schei­dun­gen: BGH soll in Mas­sen­ver­fah­ren schnel­ler ent­schei­den kön­nen
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Schnell die Re­vi­si­on zu­rück­neh­men, wenn sich eine Nie­der­la­ge durch Grund­satz­ur­teil ab­zeich­net? Die so­ge­nann­te Flucht in die Re­vi­si­ons­rück­nah­me soll künf­tig nicht mehr mög­lich sein. Die Bun­des­re­gie­rung be­schloss am Mitt­woch den Re­gie­rungs­ent­wurf zur Ein­füh­rung eines Leit­ent­schei­dungs­ver­fah­rens.

Mit der ge­plan­ten Neu­re­ge­lung sol­len die Ge­rich­te ent­las­tet wer­den. Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann (FDP) be­ton­te, dass Mas­sen­ver­fah­ren mit vie­len tau­send Klä­ge­rin­nen und Klä­gern eine Her­aus­for­de­rung für die Jus­tiz seien.  Dabei gehe es etwa um un­zu­läs­si­ge Klau­seln in Ver­trä­gen von Ver­si­che­run­gen, In­ter­net­an­bie­tern oder Fit­ness­stu­di­os. "Wir wer­den des­halb Leit­ent­schei­dun­gen ein­füh­ren, in denen sich der BGH zu sol­chen grund­sätz­li­chen Rechts­fra­gen äu­ßern kann, damit bei Amts-, Land- und Ober­lan­des­ge­rich­ten schnel­ler und ein­heit­li­cher ent­schie­den wer­den kann", sagte er.

Recht­li­che Streit­fra­gen, die alle Ver­fah­ren glei­cher­ma­ßen be­tref­fen und noch nicht ge­klärt sind, lau­fen häu­fig über Jahre durch bis in die letz­te In­stanz. Seit Jah­ren wird kri­ti­siert, dass dann in letz­ter Se­kun­de, wenn sich beim BGH eine Nie­der­la­ge ab­zeich­net, eine höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung ver­hin­dert wird: Eine Par­tei macht einen Ver­gleichs­vor­schlag, den die an­de­re kaum ab­leh­nen kann, oder nimmt ihr Rechts­mit­tel zu­rück. Häu­fig wird vor allem gro­ßen Un­ter­neh­men vor­ge­wor­fen, auf die­sem Wege eine Grund­satz­ent­schei­dung zu ihren Un­guns­ten ver­hin­dern zu wol­len.   

Ohne eine sol­che höchst­rich­ter­li­che Klä­rung wür­den die In­stanz­ge­rich­te daher immer wie­der mit neuen Ver­fah­ren zu gleich­ge­la­ger­ten Sach­ver­hal­ten be­las­tet. Das ver­län­ge­re die Ver­fah­rens­dau­er in den ein­zel­nen Ver­fah­ren und be­las­te die Ge­rich­te un­nö­tig, so das BMJ zur Be­grün­dung des Re­gie­rungs­ent­wurfs. 

Ent­schei­dung als neu­ar­ti­ge Leit­ent­schei­dung

Mit dem Leit­ent­schei­dungs­ver­fah­ren soll der BGH die Mög­lich­keit be­kom­men, grund­sätz­li­che Rechts­fra­gen in Mas­sen­ver­fah­ren auch dann zu ent­schei­den, wenn die Par­tei­en den Pro­zess an­der­wei­tig be­en­det haben, er­läu­ter­te das Mi­nis­te­ri­um. Werde in einem Mas­sen­ver­fah­ren Re­vi­si­on ein­ge­legt, könne der BGH die­ses Ver­fah­ren zu einem Leit­ent­schei­dungs­ver­fah­ren be­stim­men und ent­schei­de nach der ge­plan­ten Neu­re­ge­lung über die grund­sätz­li­chen Rechts­fra­gen auch dann, wenn sich das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­le­digt: Er soll die Ent­schei­dung dann als neu­ar­ti­ge Leit­ent­schei­dung tref­fen kön­nen. 

Auf das be­trof­fe­ne Re­vi­si­ons­ver­fah­ren soll die Leit­ent­schei­dung keine Aus­wir­kun­gen haben; den Par­tei­en blei­be es un­be­nom­men, sich zu ver­glei­chen oder die Re­vi­si­on zu­rück­zu­neh­men. Die Leit­ent­schei­dung diene – wie eine Re­vi­si­ons­ent­schei­dung sonst auch – den Ge­rich­ten und der Öf­fent­lich­keit als Richt­schnur und zur Ori­en­tie­rung, be­ton­te das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um. Ge­rich­te könn­ten bei ihnen an­hän­gi­ge Par­al­lel­ver­fah­ren im Ein­ver­ständ­nis mit den Par­tei­en bis zur Re­vi­si­ons- oder Leit­ent­schei­dung aus­set­zen.

Redaktion beck-aktuell, ew/pl, 16. August 2023.

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