"Sittliche Rechtfertigung" der Adoption eines volljährigen Asylsuchenden
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Für eine Erwachsenenadoption muss eine "sittliche Rechtfertigung" bestehen. Laut Bundesgerichtshof soll diese Einschränkung in erster Linie missbräuchliche Adoptionen verhindern. Ein solcher Fall liege vor, wenn der Verdacht bestehe, dass primär die Rückführung eines Asylsuchenden in seine Heimat verhindert werden solle. Die Karlsruher Richter betonten zusätzlich die Notwendigkeit, die Identität von Adoptionswilligen zu klären.

Deutsches Ehepaar will erwachsenen Afghanen adoptieren

Ein mutmaßlich afghanischer Staatsangehöriger war Anfang 2016 in Deutschland eingereist. Bei seiner Registrierung gab er als Geburtsdatum den 01.01.1998 und als Geburtsort eine nordafghanische Provinz an. Im August 2016 nahm ihn ein deutsches Ehepaar in seinem Haushalt auf, wo er seither lebt. Bei seiner Anhörung im Asylverfahren gab er an, am 21.05.1999 in einer afghanischen Stadt in einer Nachbarprovinz geboren worden zu sein. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Asylantrag abgelehnt hatte, beantragten die Eheleute seine Adoption "mit den starken Wirkungen einer Minderjährigenadoption". Seine leiblichen Eltern seien verstorben. Zum Nachweis der Identität des von ihnen Aufgenommenen legten die Eheleute die Kopie eines afghanischen Ausweises – einer Takzira – vor, die am 21.05.2016 ausgestellt worden war. Sowohl das Amtsgericht Andernach als auch das Oberlandesgericht Koblenz wiesen den Antrag zurück, weil die Identität des Mannes aufgrund unterschiedlicher Angaben zu Geburtsdatum und -ort ungeklärt sei. Es bestehe der Verdacht, dass die Eheleute mit der Adoption vor allem die Rückführung in sein Heimatland verhindern wollten. Die Rechtsbeschwerde des Ehepaars hatte beim BGH keinen Erfolg.

Ungeklärte Motivlage

Der BGH stimmt den Koblenzer Richtern im Ergebnis zu. Allerdings stehe der Adoption nicht die ungeklärte Identität des Asylsuchenden entgegen. Zwar müssten für den Ausspruch der Adoption grundsätzlich die Identitäten der Adoptierenden, des Kindes und – bei der Volljährigenadoption mit Wirkungen der Minderjährigenannahme – die der leiblichen Eltern feststehen. Die Ausstellung eines afghanischen Reisepasses im November 2020 spreche auch für die Richtigkeit der Angaben des Asylsuchenden. Letztlich scheitere die Adoption an einer fehlenden "sittlichen Rechtfertigung" gemäß § 1767 Abs. 1 1. Hs BGB. Da noch keine Eltern-Kind-Beziehung bestehe, könne diese nicht vermutet werden. Die Karlsruher Richter betonten, dass das Merkmal dann primär den Zweck verfolge, missbräuchliche Adoptionen zu verhindern. Der Wunsch, den Aufenthaltsstatus eines Ausländers zu verbessern, sei familienfremd. Das künftige Entstehen einer Eltern-Kind-Bindung sei zwar möglich. Zweifel an der Motivlage gingen aber zulasten der Beteiligten.

Scheitere eine Adoption bereits hieran, so sei das Absehen von der Anhörung leiblicher Kinder nicht verfahrensfehlerhaft nach § 193 FamFG. Ihre geschützten Interessen berühre die Ablehnung nicht.

BGH, Beschluss vom 25.08.2021 - XII ZB 442/18

Redaktion beck-aktuell, 29. September 2021.