BGH sieht Kredit-Klausel bei Kauf von Mercedes-Diesel kritisch
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Haben Diesel-Käufer mit dem Abschluss ihres Autokredits auf sämtliche Schadenersatz-Forderungen verzichtet? Eine Klausel der Mercedes-Benz Bank legt dies nahe – aber der Bundesgerichtshof spielt wohl nicht mit: In der Verhandlung eines Musterfalls äußerte er sich sehr kritisch. Die Vorsitzende Eva Menges sagte am Montag, ihr Senat halte die Klausel nach ersten Beratungen tendenziell für unwirksam.

Vertrag: Abtretung aller Ansprüche gegen Daimler an die Bank

Der Kläger hatte sich 2019 für mehr als 55.000 Euro einen neuen Mercedes GLC gekauft, über eine Finanzierung bei der hauseigenen Mercedes-Benz Bank. Im Vertrag steht, dass der Darlehensnehmer als Sicherheit unter anderem auch gegenwärtige und zukünftige Ansprüche gegen Daimler an die Bank abtritt – "gleich aus welchem Rechtsgrund". Nach Angaben des Oberlandesgerichts Stuttgart, das zuletzt mit dem Fall zu tun hatte, findet sich diese Klausel "regelmäßig" in den Darlehensbedingungen der Bank. Eine Sprecherin von Mercedes-Benz wollte sich dazu nicht äußern.

OLG Stuttgart verneinte Aktivlegitimation des Käufers

Später verlangte der Mann Schadenersatz von der Mercedes-Benz Group, wie Daimler inzwischen heißt. Er behauptet, sein Auto sei mit verschiedenen unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet und stoße beim Fahren mehr giftige Abgase aus als erlaubt. Vor Gericht ging es bisher in erster Linie darum, ob der Mann Mercedes-Benz überhaupt noch verklagen kann. Nach Auffassung der OLG-Richter hat er solche Ansprüche wirksam an die Bank abgetreten. Die BGH-Richter scheinen das nun anders zu sehen. Menges sagte nach Vorberatungen ihres Senats, die Klausel sei möglicherweise unwirksam, weil sie die Verbraucher unangemessen benachteilige. Das Urteil soll am 24. April verkündet werden. Sollte der BGH das Urteil aus Stuttgart aufheben, müsste das OLG im nächsten Schritt inhaltlich prüfen, ob die Voraussetzungen für eine mögliche Haftung vorliegen.

Klage unter anderem wegen Einsatz eines Thermofensters

Der Mann hatte unter anderem wegen eines sogenannten Thermofensters in seinem Diesel geklagt. Die Technik, die auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt wurde, kommt bei der Abgasreinigung ins Spiel. Damit die Fahrzeuge weniger giftige Stickoxide ausstoßen, wird ein Teil der Abgase direkt im Motor verbrannt. Herrschen draußen kühlere Temperaturen, wird dieser Mechanismus automatisch gedrosselt. Die Hersteller sagen, das sei notwendig, um den Motor zu schützen. Bisher hatten Diesel-Käufer mit Thermofenster-Klagen eher schlechte Karten. Der BGH hat mehrmals entschieden, dass Daimler nur wegen Verwendung der Technik nicht gleich Betrugsabsichten unterstellt werden könnten. Zu anderen Komponenten der Abgastechnik bei Mercedes-Benz gibt es noch keine höchstrichterliche Entscheidung. Hierzu läuft auch eine Musterklage der Verbraucherzentralen.

EuGH-Urteil zu Haftung wegen Thermofenstern könnte Rechtslage ändern

Mit Spannung wird allerdings ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs am 21. März erwartet, bei dem es ebenfalls um ein Thermofenster in einem Mercedes-Diesel geht. Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts könnte es passieren, dass die Luxemburger Richter anders als der BGH eine Haftung des Herstellers schon bei einfacher Fahrlässigkeit annehmen. Das würde die Hürden für Schadenersatz-Klagen deutlich senken. In Deutschland liegen deshalb in allen Instanzen im Moment massenhaft Diesel-Verfahren auf Eis.

Streitige Abtretungsklausel nur in Verträgen der Mercedes-Benz Bank enthalten

Das BGH-Urteil zu den Autokredit-Verträgen dürfte ausschließlich Mercedes-Benz betreffen. Die Berliner Kanzlei Goldenstein Rechtsanwälte, die im Dieselskandal sehr aktiv ist, teilte mit, sie habe in diesem Zusammenhang Tausende Finanzierungsverträge von Autobanken geprüft. "Die Dreistigkeit, durch AGB-Klauseln Schadenersatzklagen gegen den jeweiligen Mutterkonzern abzuwehren, hat unseres Wissens nach nur die Mercedes-Benz Bank besessen."

Redaktion beck-aktuell, 13. März 2023 (dpa).