Sexueller Missbrauch durch den Frauenarzt

Auch Patientinnen, die nur zur Vorsorgeuntersuchung zum Gynäkologen gehen, begeben sich dem Bundesgerichtshof zufolge in ein besonderes Beratungs- und Behandlungsverhältnis. Fertigt der Arzt heimlich Filme an, die die "Untersuchung" zeigen, macht er sich des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung dieses geschützten Vertrauensverhältnisses strafbar – selbst wenn er dabei die Grenzen des medizinisch Erforderlichen nicht überschreitet.

Arzt filmte Untersuchungen

Ein Frauenarzt filmte im Winter 2011 heimlich mit einer Kugelschreiberkamera im Arztkittel und einer weiteren versteckten Kamera in einer Auffangschale, wie er 25 Frauen "abtastete". Darunter waren auch Patientinnen, die die alljährliche Krebsvorsorgeuntersuchung von ihm durchführen ließen. Das Landgericht Dortmund verurteilte den Mann wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs- und Behandlungsverhältnisses nach § 174c Abs. 1 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und zehn Monaten, die es zur Bewährung aussetzte. Der Arzt wehrte sich gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof, weil er meinte, die Vorsorgeuntersuchung begründe kein schützenswertes Vertrauensverhältnis, das er hätte ausnutzen können. Der BGH sah das anders.

Vertrauensstellung auch bei Vorsorgeuntersuchung

Der Gesetzgeber will dem 4. Strafsenat zufolge auch die Patienten schützen, die sich von einem Arzt untersuchen lassen, um eine eventuell bestehende Krankheit möglichst früh zu erkennen. Auch bei dieser Untersuchung genieße der Arzt eine besondere Vertrauensstellung, die es ihm erst ermögliche, den Missbrauch vorzunehmen. § 174c StGB schütze auch das hohe Berufsethos der Heilberufe und das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Gesundheitswesen, so der BGH.

Untersuchung als sexuelle Handlung

Selbst wenn das Gericht unterstellen würde, der Gynäkologe habe bei seiner "Untersuchung" die Grenze des medizinisch Erforderlichen nicht überschritten, sei der sexuelle Missbrauch unzweifelhaft gegeben: Das hier allein maßgebliche äußere Erscheinungsbild lasse die Sexualbezogenheit bereits erkennen. Der Arzt kann sich laut den Karlsruher Richtern auch nicht darauf berufen, die Behandlung sei regelgerecht gewesen - denn seine sexuelle Motivation habe eindeutig auch seine "Untersuchungshandlungen" bestimmt. Schon alleine die Sorgfalt, mit der er das Setting für die Filme vorbereitet habe, zeige, wie sehr das sexuelle Motiv sein Tun überlagert habe.

BGH, Beschluss vom 02.02.2021 - 4 StR 364/19

Redaktion beck-aktuell, 22. März 2021.