Auch Selbst­auf­nah­men vor un­be­fug­ter Wei­ter­ga­be ge­schützt
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In­tim­bil­der und sol­che, die die Hilf­lo­sig­keit einer Per­son zur Schau stel­len, sind vor der un­be­fug­ten Ver­brei­tung nach § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB ge­schützt. Das gilt auch dann, wenn die ab­ge­bil­de­te Per­son sie selbst ge­macht hat. Das hat der Bun­des­ge­richts­hof am 29.07.2020 erst­mals höchst­rich­ter­lich ent­schie­den.

Kind fo­to­gra­fier­te sich selbst

Der An­ge­klag­te hatte sich unter an­de­rem Akt­bil­der von Kin­dern ver­schafft, die diese selbst her­ge­stellt und ihm über­las­sen hat­ten. Diese Auf­nah­men ver­brei­te­te er ohne deren Ein­wil­li­gung wei­ter. Das Land­ge­richt Pa­der­born ver­ur­teil­te ihn dafür wegen Ver­let­zung des höchst­per­sön­li­chen Le­bens­be­reichs durch Bild­auf­nah­men nach § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB. Da­ge­gen wehr­te sich der Täter vor dem BGH: Er mein­te, dass nur die Wei­ter­ga­be von Fotos, die von ihm oder einem Drit­ten ge­macht wor­den sind, straf­bar sei – nicht aber, wenn das Kind sich selbst fo­to­gra­fiert habe. Die Karls­ru­her Rich­ter folg­ten ihm nicht, son­dern ver­war­fen seine Re­vi­si­on. Zur Be­grün­dung leg­ten sie die Straf­vor­schrift aus­führ­lich aus.  

Gram­ma­ti­sche Aus­le­gung

Der Wort­laut des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB schlie­ße das selbst auf­ge­nom­me­ne Bild nicht als taug­li­ches Ob­jekt der Tat aus, er­klär­te der 4. Straf­se­nat. Schlie­ß­lich sei von einer "be­fugt her­ge­stell­ten" Auf­nah­me die Rede, sie könne also auch durch die ab­ge­bil­de­te Per­son selbst ge­macht wor­den sein.  

Sys­te­ma­ti­sche Aus­le­gung

Dem BGH zu­fol­ge be­zieht sich die Nr. 4 des § 201a Abs. 1 StGB nur auf die Art der Bil­der in den Nrn. 1 und 2 – also auf Bil­der aus dem höchst­per­sön­li­chen Le­bens­be­reich oder sol­che, die die Hilf­lo­sig­keit der ab­ge­bil­de­ten Per­son zur Schau stel­len. Ein Bezug auf den Her­stel­ler der Auf­nah­me sei nicht er­kenn­bar.

Te­leo­lo­gi­sche Aus­le­gung

Der Zweck der Re­ge­lung sei es, al­lein die Wei­ter­ga­be sol­cher Bil­der zu einem spä­te­ren Zeit­punkt zu sank­tio­nie­ren. Die Ver­brei­tung der Auf­nah­me be­grün­de einen ei­gen­stän­di­gen Ein­griff in das Per­sön­lich­keits­recht der ab­ge­bil­de­ten Per­son, weil darin ein Ver­trau­ens­miss­brauch liege. Un­ab­hän­gig davon, wie die Bil­der ent­stan­den seien und wer sie ge­macht habe, solle die Wei­ter­ga­be ver­hin­dert wer­den, so die Karls­ru­her Rich­ter.

His­to­ri­sche Aus­le­gung

Auch der Ge­setz­ge­ber habe ge­wollt, dass Selbst­auf­nah­men eben­falls von der Straf­bar­keit er­fasst wür­den. Laut Ge­set­zes­be­grün­dung zur Ein­füh­rung des § 201a StGB be­stehe ein ei­ge­nes "schüt­zens­wer­tes In­ter­es­se" daran, dass diese Bil­der nicht ver­brei­tet wer­den. Eine Be­schrän­kung des Ge­setz­ge­ber­wil­lens auf Auf­nah­men, die eine an­de­re Per­son ge­macht hat, lässt sich laut 4. Straf­se­nat nicht her­lei­ten.

BGH, Beschluss vom 29.07.2020 - 4 StR 49/20

Redaktion beck-aktuell, 14. Oktober 2020.

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