Schuldunfähigkeitsprüfung für die Unterbringung von Straftätern

Um die Unterbringung eines Straftäters in ein psychiatrisches Krankenhaus anzuordnen, bedarf es einer gründlichen Prüfung und Darlegung der seelischen Störung und deren Ausprägung und Auswirkung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in der konkreten Tatsituation. Der Bundesgerichtshof hob ein Urteil auf, aus dessen Feststellungen sich nicht nachvollziehbar ergab, warum statt der Strafe die Unterbringung angeordnet wurde. 

Einen vermeintlichen Kinderschänder verprügelt und erpresst

Der Beschuldigte, der in seiner Kindheit Opfer sexuellen Missbrauchs geworden war, wurde von einem Mitbewohner in einem betreuten Wohnheim aufgefordert, einen anderen Mann zu überfallen. Der Anstifter behauptete, dass der spätere Geschädigte ein "Kinderficker" sei. Er wusste, dass diese Äußerung starke Aggressionen bei dem 53-jährigen suchtkranken Beschuldigten auslösen würde, der mittlerweile unter anderem wegen einer psychiatrischen Erkrankung unter gesetzlicher Betreuung stand. Die beiden schlugen die Wohnungstür des Geschädigten ein und traktierten den Mann so heftig mit Schlägen und Tritten, dass dieser lebensgefährlich verletzt wurde. Dann legten sie dem Geschädigten eine Schlinge um den Hals und gingen mit ihm zur Bank, um Geld von dessen Konto abzuheben. Der Beschuldigte stand bei der Tat unter Alkoholeinfluss. Ein Gutachter ging davon aus, dass er während der Tat unter einer schizomanischen Episode "gestanden haben müsse". Das Landgericht Kiel ordnete seine Unterbringung nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Dagegen wehrte sich der Mann vor dem BGH – mit Erfolg.

Prüfung der Schuldunfähigkeit nicht gelungen

Der 5. Strafsenat hob das Urteil auf, weil die Prüfung der Schuldunfähigkeit des Beschuldigten misslungen war: Zum einen gab es keine tragfähige Beschreibung einer psychischen Störung, die zur Tatzeit die Schuldfähigkeit aufgehoben hatte. Den Karlsruher Richtern fehlte es an der Mitteilung der Anknüpfungs- und Befundtatsachen, die die Bewertung des Sachverständigen getragen haben. Die Ausführungen des Gerichts hinsichtlich der Diagnose seien nicht nachvollziehbar. Es reiche nicht aus, einfach die Aufenthalte in Krankenhäusern mitsamt wechselnder Diagnosen aufzuzählen.

Ausprägung und Auswirkung auf Tat

Die Bundesrichter monierten weiter, dass die Kieler Richter die Ausprägung der seelischen Störung und deren Auswirkungen bei Tatbegehung nicht festgestellt hatten. Das Gericht hätte mithilfe eines Sachverständigen feststellen müssen, wie sich die Erkrankung in der Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstat auf den psychischen Zustand zurückzuführen ist. Pauschal auf eine zum Tatzeitpunkt bestehende akute Psychose zu verweisen, die nicht durch Beweismittel belegt wurde, reichte dem BGH nicht aus. Vorsorglich wies er noch darauf hin, dass die Gefährlichkeitsprognose eine umfassende Würdigung der Persönlichkeit und des Vorlebens des Täters, der Anlasstat und aller prognoserelevanten Umstände erfordere.

BGH, Beschluss vom 17.01.2023 - 5 StR 532/22

Redaktion beck-aktuell, 13. März 2023.

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