Schriftsatz unter Briefkopf eines Kollegen
Lorem Ipsum
© DanRace / stock.adobe.com

Schreibt ein Anwalt unter dem Briefkopf eines Kollegen einen Schriftsatz, ist dem Bundesgerichtshof zufolge zu vermuten, dass er als Vertreter des Briefkopfinhabers handelt. Wenn sich deutlich aus den Umständen ergebe, dass der Unterzeichner einer Berufungsbegründung als Vertreter des Prozessbevollmächtigten handelt, sei der Schriftsatz diesem mandatierten Rechtsanwalt zuzurechnen. Anderes gelte nur dann, wenn diese Vermutung erschüttert werde.

Berufungsbegründung von anderem Anwalt unterzeichnet

Eine Klägerin hatte vor dem Amtsgericht Berlin Mitte verloren und legte gegen das Urteil Berufung ein. Ihr Prozessbevollmächtigter begründete die Berufung aber nicht persönlich, sondern bat wohl  einen anderen Anwalt darum. Dieser schrieb den Schriftsatz unter dem Briefkopf der mandatierten Kanzlei und unterzeichnete im eigenen Namen. Das Landgericht Berlin verwarf die Berufung als unzulässig, weil es die Begründung der Klägerin nicht zurechnete und ihrer Berufung somit die Begründung fehlte. Die Klägerin wandte sich mit der Revision an den Bundesgerichtshof – mit Erfolg.

Briefkopf begründet Vermutung

Wer als Anwalt unter eines Kollegen Briefkopf einen Schriftsatz verfasst und diesen eigenhändig unterschreibt, lässt dem BGH zufolge vermuten, dass er sich den Inhalt des Schreibens zu eigen macht, dafür die Verantwortung übernimmt und nicht bloß als Erklärungsbote tätig wird. Diese Vermutung ließe sich erschüttern, wenn der Anwalt etwa nur "i.A." (im Auftrag) unterschreibe. Ergebe sich aber deutlich aus den Umständen, dass der Unterzeichner als Vertreter des mandatierten Kollegen handelt, sei diesem der Schriftsatz zuzurechnen. So liege der Fall hier: Die Berufungsbegründung sei unter dem Briefkopf des Prozessbevollmächtigten verfasst worden. Die Annahme, dass ein Anwalt diese Arbeit im eigenen Namen verfasst, ohne dazu beauftragt zu sein, sei abwegig. Sie widerspräche auch dem Auslegungsgrundsatz, dass im Zweifel das gewollt sei, was vernünftig sei und der Interessenlage entspräche, so der BGH. Zu klären sei noch, ob, wie vorgetragen, eine Befugnis zur Vertretung bestanden habe.

BGH, Urteil vom 20.12.2022 - VI ZR 279/21

Redaktion beck-aktuell, 14. Februar 2023.