Ein Mieter setzte sich gegen die vom Amtsgericht bestätigte Räumung und Herausgabe seiner Wohnung sowie die Zahlung rückständiger Miete zur Wehr. Sein Anwalt hatte über das besondere elektronische Anwaltspostfach Berufung eingelegt und diese begründet. Zwar ging der Schriftsatz am 19.06.2023 im Elektronischen Gerichtspostfach fristgerecht ein und wurde auf dem Server aufgezeichnet. Der Ausdruck wurde aber erst am 19.07.2023 zur Akte geheftet. Die Berufung hatte vor dem LG keinen Erfolg, da sie bereits am 07.07.2023 verworfen worden war: Sie sei nicht rechtzeitig begründet worden.
Der VIII. Zivilsenat des BGH hingegen sah die Frist als gewahrt an (Beschluss vom 08.11.2023 – VIII ZB 59/23). Aus Sicht der Karlsruher Richterinnen und Richter verletzt der angefochtene Beschluss den Mieter in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Das LG Berlin habe die Berufung zu Unrecht nicht zur Kenntnis genommen und als unzulässig verworfen, obwohl die Berufungsbegründung innerhalb der (wirksam verlängerten) Frist bis zum 19.6.2023 bei Gericht eingegangen sei (Prüfvermerk an diesem Tag "Eingangszeitpunkt: 19.6.2023, 16:27:17"). Daran ändere sich auch nichts, wenn den erkennenden Richtern der Schriftsatz wie hier im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorlag. Es mache keinen Unterschied, ob der Schriftsatz den Richtern nach Eingang bei Gericht nur nicht vorgelegt wurde oder erst gar nicht zur Verfahrensakte gelangt sei. Ob ein Verschulden vorgelegen habe, sei ebenfalls irrelevant. Hier habe es sich wohl um ein gerichtsinternes Versehen gehandelt.