Anklageschrift war langweilig
Der Staatsanwalt verlas die Anklage mit rund 180 mutmaßlichen Fällen der Steuerhinterziehung, als dem Verteidiger auffiel, dass einer der Laienrichter mindestens eine Minute lang mit geschlossenen Augen, leicht geöffnetem Mund und erschlaffter Haltung auf der Richterbank saß. Bei den Tatvorwürfen Nrn. 176 und 177 unterbrach er die Verlesung und bat den Vorsitzenden, er möge sich versichern, ob der Schöffe noch wach sei. Der Schlafende reagierte zunächst nicht; erst als sich der Berufsrichter zu ihm hinwendete, öffnete er seine Augen und benötigte offenbar einen Moment, um zu erkennen, dass er eingeschlafen war. Der Staatsanwalt setzte die Verlesung der Anklageschrift bei dem Tatvorwurf Nr. 178 fort. Eine Wiederholung der Verlesung fand nicht statt. Das Landgericht Kassel verurteilte den mutmaßlichen Steuersünder zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren. Die Revision des Angeklagten beim Bundesgerichtshof war erfolgreich.
Anklage wesentlicher Bestandteil des Verfahrens
Die Verlesung des Anklagesatzes ist dem 1. Strafsenat zufolge ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung. Wenn einer der Richter dabei schläft, ist das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt. Daher sei der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 1 StPO gegeben – die Verletzung der Besetzungsvorschriften führt zur Aufhebung des Urteils, ohne zu prüfen, ob das Urteil auf diesem Fehler beruht. Der BGH verwies die Sache an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Kassel zurück, nicht ohne noch weitere zahlreiche materielle Fehler des Urteils aufzuzeigen.