Schenkungswiderruf muss begründet sein, aber nicht begründet werden

Die Erklärung, eine Schenkung werde wegen groben Undanks widerrufen, muss nicht begründet werden. Der Bundesgerichtshof hat dafür den Wortlaut der Norm herangezogen, wonach es heißt, dass der Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Beschenkten erfolge. Den Schutz des Beschenkten sieht der X. Zivilsenat ausreichend dadurch gewahrt, dass das Vorliegen des groben Undanks im Rückforderungsprozess bewiesen werden müsse. 

Streit um Grundstücksübertragung

Eine Frau verschenkte 1994 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vierzehn Grundstücke in Bonn und Frankfurt am Main an ihre drei Kinder. Sie behielt sich jeweils den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Ein weiteres Grundstück in Frankfurt übertrug sie ihrem Sohn allein. Nachdem sie 2008 eine Woche in einem Krankenhaus verbracht hatte, bewilligte sie die Löschung des Nießbrauchs und ließ ihren Notar die Bewilligung an die gemeinsame Hausverwaltung ihrer Kinder senden. Sie sollten dort in einem Safe aufbewahrt werden, bis sie gebraucht würden. Anderthalb Jahre später nahm ihr Sohn eigenmächtig die Löschungsbewilligungen und verhandelte mit seinen Schwestern und Mutter darüber. Er ließ außerdem die Pachtzahlung für ein anderes Grundstück seiner Mutter einstellen. Nachdem er verklagt worden war, wurde seine Gesellschaft zur Zahlung von knapp über 1.300.000 Euro Pachtzins verurteilt. Daraufhin ließ er die Löschungsbewilligungen bei den Grundbuchämtern einreichen. Seine Mutter erwirkte eine einstweilige Verfügung, die auch in den weiteren Instanzen hielt, obwohl ihr Sohn behauptete, sie sei dement. Sie widerrief die Grundstücksschenkungen an ihn und verlangte die Rückübertragung des Mit(Eigentums). Nach ihrem Tod führten die Töchter das Verfahren als Erbinnen fort. Das LG Frankfurt am Main gab der Klage statt, das dortige OLG wies sie ab. Die Schwestern verfolgten ihre Ansprüche vor dem BGH weiter – mit Erfolg.

Widerrufserklärung einer Schenkung bedarf keiner Begründung

Entgegen der Ansicht des OLG ist die Widerrufserklärung wegen groben Undanks grundsätzlich wirksam, so der BGH. Die Widerrufserklärung bedürfe keinerlei Begründung. Dafür spricht dem X. Zivilsenat zufolge vor allem der Wortlaut des § 531 Abs. 1 BGB, wonach es heißt, dass der Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Beschenkten erfolgt. Auch Sinn und Zweck des Regelungskonzepts spreche dafür: Zwar sei der Beschenkte schutzwürdig, aber die Widerrufsvoraussetzungen, dass der grobe Undank vorliegen und beweisbar sein müsse, genüge zu seinem Schutz. Auch ein Vergleich mit der fristlosen Kündigung eines Dienstvertrags nach § 626 BGB zeige, dass der Dienstherr seine Kündigungserklärung nicht begründen müsse – die Kündigung selbst aber begründet sein müsse.

Lag grober Undank vor?

Der BGH bemängelte auch die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main, den groben Undank des Sohnes zu verneinen, weil der Nießbrauch auch Pflichten mit sich bringe, die der Sohn seiner Mutter haben abnehmen wollen. Das OLG habe nicht berücksichtigt, zu welchem Zweck genau die Erblasserin die Löschungsbewilligungen im Safe verwahrt sehen wollte und wann ihr Einsatz geplant gewesen sei. Ein eigenmächtiges Handeln gegen den Willen der übrigen Beteiligten sei jedenfalls nicht beabsichtigt worden. Die Nutzung der Löschungsbewilligungen, um seiner Mutter ihrer Rechte aus dem Nießbrauch zu entziehen – selbst gegen den Willen der Töchter, könne, so der X. Zivilsenat, als ein solcher Undank bewertet werden. Der BGH verwies die Sache zur Neuverhandlung zurück, wobei er betonte, dass das OLG, wenn es einen Widerrufsgrund bejahe, anschließend noch die bislang offengelassene Frage prüfen müsse, ob die Übertragung der Grundstücke überhaupt auf der Schenkung beruht habe. 

BGH, Urteil vom 11.10.2022 - X ZR 42/20

Redaktion beck-aktuell, 12. Januar 2023.