Zurückgeforderte Schenkung: Einkommensgrenze aus Sozialhilferegress greift nicht

Wird eine Schenkung wegen Verarmung zurückgefordert, kann der Beschenkte eine Gefährdung seines angemessenen Unterhalts einwenden. Laut BGH kommt für dessen Bemessung der 100.000 Euro-Einkommensgrenze des Angehörigen-Entlastungsgesetzes zur Begrenzung des Sozialhilferegresses keine Bedeutung zu.

Ein Sozialhilfeträger verlangte aus übergeleitetem Recht eine Schenkung von gut 20.500 Euro heraus, die der Beschenkte von seiner inzwischen verstorbenen Mutter erhalten hatte. Der Träger hatte für die pflegebedürftige Mutter vor ihrem Tod Leistungen erbracht. Der Sohn machte dagegen die Einrede aus § 529 Abs. 2 BGB geltend: Die Herausgabe würde seinen angemessenen Unterhalt gefährden. Mit seiner Einrede war er beim LG und OLG erfolgreich. Klage und Berufung des Sozialhilfeträgers scheiterten.

Bei der Bemessung des angemessenen Unterhalts des beschenkten Sohns am Maßstab der Unterhaltspflicht gegenüber Eltern berücksichtigte das OLG die Begrenzung des Sozialhilferegresses bei zum Elternunterhalt verpflichteten Kindern durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz, der erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro brutto möglich ist (§ 94 Abs. 1a SGB XII). Nach Ansicht des OLG muss sich die Einkommensgrenze auch auf das Unterhaltsrecht auswirken. Diese Grenze zugrunde gelegt, ergebe sich ein monatliches Nettoeinkommen von 5.000 Euro als angemessener Eigenbedarf. Das Einkommen des Sohnes liege jedoch darunter.

Die Revision des Sozialhilfeträgers führte zur Zurückverweisung der Sache an das OLG. Laut BGH kommt der 100.000-Euro-Einkommensgrenze in § 94 Abs. 1a SGB XII für die Bemessung des angemessenen Unterhalts nach § 529 Abs. 2 BGB keine Bedeutung zu (Urteil vom 16.04.2024 -  X ZR 14/23). Mangels planwidriger Regelungslücke sei der Regressausschluss bis 100.000 Euro in § 94 Abs. 1a SGB XII auf Ansprüche aus § 528 Abs. 1 BGB wegen Verarmung des Schenkers nicht analog anwendbar. Mit Blick darauf lasse sich die Einkommensgrenze aus § 94 Abs. 1a SGB XII auch nicht im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB übertragen.

Zwar sei umstritten, ob sich das Angehörigen-Entlastungsgesetz auf die unterhaltsrechtliche Bemessung des Selbstbehalts nach § 1603 Abs. 1 und § 1610 BGB auswirke. Der BGH lässt das aber offen. Denn selbst wenn das so wäre, spielte das für die Bemessung des Selbstbehalts nach § 529 Abs. 2 BGB keine Rolle, da die sozialhilferechtliche Wertung in § 94 Abs. 1a SGB XII nicht auf das Schenkungsrecht übertragbar sei. § 94 Abs. 1a SGB XII lasse einen Rückgriff über nach § 93 SGB XII übergeleitete Ansprüche unberührt. Laut BGH muss daher auch eine mögliche Ausstrahlungswirkung von § 94 Abs. 1a SGB XII auf unterhaltsrechtliche Ansprüche beschränkt bleiben.

BGH, Urteil vom 16.04.2024 - X ZR 14/23

Redaktion beck-aktuell, hs, 7. Mai 2024.