Scheidung eines Diplomaten-Ehepaars: BGH ruft EuGH an

In einem Streit um die Scheidung eines Diplomaten-Ehepaars hat der BGH den EuGH angerufen. Um das auf die Scheidung anwendbare Recht bestimmen zu können, soll der EuGH klären, ob die Entsendung als Diplomat die Annahme eines "gewöhnlichen Aufenthalts" beeinflussen kann. 

Die seit 1989 verheirateten Eheleute sind beide deutsche Staatsangehörige und besitzen beide einen Diplomatenpass. Sie lebten zunächst in einer Mietwohnung in Berlin und zogen 2017 nach Stockholm, wo der Ehemann an der Deutschen Botschaft arbeitete. Ihren Wohnsitz in Berlin meldeten sie ab, behielten die Wohnung aber für eine spätere Rückkehr. 2019 wurde der Ehemann nach Moskau versetzt. Dort wohnte das Ehepaar in einer Wohnung im Botschaftskomplex.

Anfang 2020 reiste die Ehefrau für eine OP nach Berlin. Im Februar 2021 kehrte sie nach Moskau zurück. Im Monat darauf teilten die Eheleute laut Ehemann ihren beiden Kindern mit, dass sie sich scheiden lassen wollten. Ende Mai 2021 zog die Ehefrau wieder in die Berliner Mietwohnung. Der Ehemann lebt weiterhin in Moskau. Im Juli 2021 beantragte der Ehemann beim AG Berlin-Kreuzberg die Scheidung. Die Ehefrau widersprach damals, weil sie sich erst im Mai 2021 getrennt hätten.

KG schied Ehe nach russischem Recht

Das AG wies den Scheidungsantrag zurück – das nach deutschem Recht erforderliche Trennungsjahr sei noch nicht abgelaufen. Der Ehemann legte Beschwerde ein, das KG schied die Ehe daraufhin nach russischem Recht. Dieses ergebe sich als anwendbares Recht aus Art. 8 lit. b Rom III-VO. Der gewöhnliche Aufenthalt des Ehemanns sei in Moskau, der gewöhnliche Aufenthalt der Ehefrau dort habe erst mit dem Umzug im Mai 2021 weniger als ein Jahr vor der Anrufung des AG geendet. Ein Versorgungsausgleich sei mangels eines Antrags nicht durchzuführen (Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Dagegen legte die Ehefrau, die eine Verbundentscheidung nach deutschem Recht erstrebt, Rechtsbeschwerde zum BGH ein.

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH angerufen (Beschluss vom 20.12.2023 - XII ZB 117/23). Er möchte wissen, nach welchen Kriterien der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im Sinn des Art. 8 lit. a und b Rom III-VO zu bestimmen ist. Insbesondere fragt er, ob die Entsendung als Diplomat die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts beeinflusse oder sogar ausschließe. Weiter fragt er, ob sich die Ehegatten in einem Staat für eine "gewisse Dauer" aufhalten und zu einem "gewissen Maß" sozial und familiär integrieren müssten, um dort einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen.

BGH, Beschluss vom 20.12.2023 - XII ZB 117/23

Redaktion beck-aktuell, hs, 24. Januar 2024.