Schadensminderungspflicht beim Bemühen um Arbeitsstelle

Wird eine Unfallgeschädigte vom Arbeitsamt für nicht mehr vermittlungsfähig gehalten, kann von ihr keine Eigeninitiative zur Arbeitsaufnahme erwartet werden und sie muss auch keine Bemühungen darlegen. Verstößt sie jedoch gegen die Schadensminderungspflicht, sind laut Bundesgerichtshof die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den Schaden anzurechnen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung komme aber generell nicht in Betracht.

Verlust des Arbeitsplatzes nach Verkehrsunfall

Ein Rentenversicherungsträger verlangte von einem Kfz-Haftpflichtversicherer die Erstattung von Leistungen aus übergegangenem Recht in Höhe von 186.000 Euro, die er an seine Versicherte aufgrund eines Verkehrsunfalls erbracht hatte. Bei dem Ereignis wurde eine Bürokauffrau vor allem am linken Bein schwer verletzt und verlor in der Folge unfallbedingt ihren Arbeitsplatz. Aufgrund einer Beinverkürzung links wurde ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Die Klägerin behauptete, die Frau sei aufgrund des Unfalls so in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt gewesen, dass sie in der konkreten Arbeitsmarktsituation kein Einkommen erzielen konnte. Der Haftpflichtversicherer rügte eine Verletzung der Schadensminderungspflicht, weil die Geschädigte sich nicht bemüht habe, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Vorinstanz bejaht Verstoß gegen Schadensminderungspflicht

Während das Landgericht Lüneburg der Klage vollständig stattgegeben hatte, erkannte das Oberlandesgericht Celle der Klägerin einen Anspruch nach §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB in Verbindung mit § 3 PflVG a.F., §§ 116, 119 SGB X nur in Höhe von 1.300 Euro (Rehabilitationskosten) an. Bis Ende 2005 hätte sich die Büroangestellte um keine Arbeit bemühen müssen, weil ihr gutachterlich eine Erwerbsunfähigkeit attestiert worden sei. Von 2006 bis 2018 hätten sie – unstreitig nicht vollständig in ihrem Beruf körperlich eingeschränkt – und die Klägerin jedoch gegen ihre Schadensminderungspflichten verstoßen, da sie sich um keine Arbeitsstelle bemühten. Die Revision der Klägerin beim BGH hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

BGH verneint Verstoß gegen Schadensminderungspflicht

Dem VI. Zivilsenat zufolge haben die Geschädigte und die Klägerin nicht gegen ihre Schadensminderungspflichten verstoßen. Entgegen der Ansicht des OLG habe die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Erfüllung der die Geschädigte treffenden Obliegenheit, sich um eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit zu bemühen, genügt. Ihr Hinweis darauf, dass das Arbeitsamt die damals 53 Jahre alte Angestellte Ende 2006 aus der Vermittlung herausgenommen hatte, da sie nach einer Begutachtung durch einen Arzt nicht mehr für vermittlungsfähig erachtet wurde, sei ausreichend. In welcher Höhe der Geschädigten ein Verdienstausfallschaden entstanden sei, müsse das OLG nunmehr klären. Dann könne es feststellen, in welcher Höhe sie bei zumutbarem Einsatz ihrer Arbeitskraft Einkünfte hätte erzielen können, die auf den Schaden anzurechnen wären.

BGH, Urteil vom 24.01.2023 - VI ZR 152/21

Redaktion beck-aktuell, 17. März 2023.