Schadensminderung muss zumutbar sein
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Ein Unfallopfer muss sich nur Therapien unterziehen, die ihm zuzumuten sind. Eine stationäre psychiatrische oder eine mit erheblichen Nebenwirkungen verbundene medikamentöse Behandlung muss nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Aussicht einer wesentlichen Besserung bieten. Zudem müsse mit Blick auf den Verdienstausfallschaden Aussicht auf einen gewinnbringenden Einsatz der erhöhten Arbeitsfähigkeit bestehen.

Nach Motorradunfall arbeitsunfähig geworden

Ein Motorradfahrer erlitt 2004 unverschuldet einen schweren Verkehrsunfall. Seine Beinverletzungen heilten zwar nach geraumer Zeit ab, sodass er seine Tätigkeit als Verwaltungsfachangestellter zunächst wieder aufnehmen konnte. Dann aber stellten sich unfallbedingte psychosomatische Beschwerden ein, die auch zu seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit führten. Fünf Jahre später bekam er die volle unbefristete Erwerbsminderungsrente bewilligt. Er verlangte nun von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners den Verdienstausfallschaden in Höhe von rund 130.000 Euro für die Vergangenheit und knapp 1.500 Euro monatlich für die Zukunft. Das Landgericht Kiel gab der Klage im Wesentlichen statt, das Oberlandesgericht Schleswig kürzte seine Ansprüche aber um bis zu 75%, weil er sich keiner Therapie gegen die psychischen Beschwerden unterzogen hatte. Dagegen ging das Unfallopfer beim BGH vor – mit Erfolg.

Verstoß gegen Schadensminderungspflicht nur bei zumutbarer Behandlung

Ein Geschädigte müsse – um den Schaden nach § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB zu mindern – sich allen zumutbaren Behandlungen unterziehen, so der BGH. Im Rahmen der Ermittlung des Verdienstausfalls könne eine Therapie nur dann zumutbar sein, wenn sie auch zur Wiederherstellung der Arbeitskraft führe. Es müsse also eine Aussicht auf eine erfolgreiche berufliche Wiedereingliederung bestehen. Die Karlsruher Richter hoben das Urteil insoweit auf und verwiesen die Sache zurück, denn die Schleswiger Richter hatten hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Es sei außer Acht gelassen worden, dass das Unfallopfer eine unbefristete Erwerbsminderungsrente erhalte und der Amtsarzt ihm zum Rentenantrag geraten habe. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung kommt dem VI. Zivilsenat zufolge grundsätzlich nicht in Betracht: Wenn von einem Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht auszugehen sei, müsse das erzielbare (fiktive) Einkommen auf den Schaden angerechnet werden.

BGH, Beschluss vom 21.09.2021 - VI ZR 91/19

Redaktion beck-aktuell, 26. Oktober 2021.