Schadensersatz nach Straßenverkehrsgesetz für Gleisblockade

Eine Haftung für die Beschädigung einer Sache nach dem Straßenverkehrsgesetz setzt keinen Eingriff in die Sachsubstanz voraus. Der Bundesgerichtshof betont, dass der Schadensbegriff von § 7 StVG mit dem von § 823 BGB identisch ist. Dementsprechend könnten auch sonstige Eingriffe in die Eigentümerposition, die zu einer zumindest vorübergehenden Aufhebung der Verwendungsmöglichkeit führten, Schadensersatzansprüche auslösen.

Unfallautos blockieren Straßenbahngleise

Die Betreiberin eines kommunalen Nahverkehrsunternehmens nahm einen Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz unter anderem für Schienenersatzverkehr- und Halterermittlungskosten in Anspruch. Sie behauptet, bei der Beklagten versicherte Kraftfahrzeuge seien an vier Verkehrsunfällen beteiligt gewesen und hätten dabei die ihr gehörenden Straßenbahngleise blockiert. Während das AG Dresden die Beklagte verurteilte, scheiterte die Klage beim dortigen LG. Ein Anspruch nach §§ 7, 18 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bestehe nicht, da das Eigentum des Betriebs durch die Gleisblockade nicht in seiner Substanz beeinträchtigt worden sei. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, denn die Nutzungsbeeinträchtigung sei nur vorübergehend und stelle keine erhebliche Beeinträchtigung dar. Unfallbedingte Staus gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko. Daraus resultierende Schäden seien hinzunehmen. Dagegen legte der Verkehrsbetrieb beim BGH die Revision ein - mit Erfolg.

Entzug des bestimmungsgemäßen Gebrauchs ist entscheidend

Der VI. Zivilsenat verwies die Sache an das LG zurück. Entgegen der Auffassung des LG ergebe sich aus dem Vortrag der Klägerin eine Sachbeschädigung nach § 7 Abs. 1 StVG. Denn die Blockade einer Schiene durch verunfallte Kraftfahrzeuge, die dazu führe, dass das Gleis deshalb an der blockierten Stelle nicht (mehr) befahren werden könne, stelle in Bezug auf die blockierte Schiene eine Sachbeschädigung bzw. Eigentumsverletzung dar. Die erforderliche Intensität folge hier bereits aus dem Entzug des bestimmungsgemäßen Gebrauchs. Da das Gleis vorübergehend nicht befahrbar gewesen sei, sei es seiner Funktion beraubt und seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen worden.

Zurechnungszusammenhang ist klärungsbedürftig

Zudem fehle es bei der Blockade einer Schiene durch ein verunfalltes Kraftfahrzeug jedenfalls grundsätzlich nicht am Zurechnungszusammenhang. Allein der Umstand, dass sich derartige Fälle häufiger im Straßenverkehr ereigneten, ändere nichts daran, dass sich im Wegfall der Nutzbarkeit der Schiene im konkreten Einzelfall das vom jeweiligen Schädiger gesetzte besondere Risiko und nicht ein allgemeines Risiko verwirkliche, das dem Geschädigten zuzurechnen sei und das er auch sonst hinzunehmen habe. Ob der Zurechnungszusammenhang für jede der geltend gemachten Schadenspositionen gegeben sei, müsse das LG nunmehr prüfen.

BGH, Urteil vom 27.09.2022 - VI ZR 336/21

Redaktion beck-aktuell, 3. November 2022.