Schadenersatzklausel für Abbruch einer Mutter-Kind-Kur unwirksam
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Weil es sich bei den Diensten einer Kurklinik um solche höherer Art handelt, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden, ist es unzulässig, wenn die Klinik sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Schadenersatzanspruch für den Fall vorbehält, dass ein Patient die Kur (hier: eine Mutter-Kind-Kur) vorzeitig abbricht. Dies stellt der Bundesgerichtshof klar.

Schadenersatz bei medizinisch nicht notwendiger Abreise?

Die Beklagte ist Mutter von vier minderjährigen Kindern. Ihre gesetzliche Krankenversicherung bewilligte eine dreiwöchige medizinische Vorsorgemaßnahme in Form einer Mutter-Kind-Kur. Die Beklagte erhielt ein Einladungsschreiben der von der Klägerin betriebenen Klinik, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt waren. Darin hieß es unter dem Punkt "Vorzeitige Abreise (Kündigung), Schadenersatz": "Tritt die Patientin, ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit, die Abreise vor Beendigung der Maßnahme an, so kann der Einrichtungsträger Ersatz für den erlittenen Schaden verlangen...Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB bleibt hiervon unberührt."

Mutter erkannte Allgemeine Geschäftsbedingungen an

Die Beklagte bestätigte durch ihre Unterschrift, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin erhalten zu haben und diese anzuerkennen. Beigefügte Fragebögen zur Vorbereitung der Therapie füllte sie aus und sandte sie – zusammen mit dem unterschriebenen Exemplar der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – an die Klägerin zurück.

Wegen Abbruchs der Kur 3.000 Euro Schadenersatz gefordert

Die Beklagte trat die bis zum 21.03.2018 vorgesehene Kur am 28.02.2018 zusammen mit ihren vier Kindern an, brach sie jedoch zehn Tage vor dem regulären Ende aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, vorzeitig ab. Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf Schadenersatz in Höhe von rund 3.000 Euro in Anspruch.

BGH: Abbruch ohne besonderen Grund zulässig

Mit ihrer Klage blieb die Klinikbetreiberin in allen Instanzen erfolglos. Sie habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die verlangte Zahlung, so der BGH in letzter Instanz. Die Beklagte habe die Kur durch konkludente Kündigung gemäß § 627 Abs. 1 BGB auch ohne besonderen Grund vorzeitig beenden können, sodass die Klägerin nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Anspruch auf Vergütung der bis zum Abbruch erbrachten Leistungen habe.

Kündigung von Diensten höherer Art jederzeit möglich

Zwischen der Klägerin und der Beklagten sei ein Vertrag über die Durchführung einer Mutter-Kind-Kur (§ 24 Abs. 1 SGB V) zustande gekommen, der jedenfalls nach seinem inhaltlichen Schwerpunkt als Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB und damit als besonderes Dienstverhältnis zu qualifizieren sei. Dieses unterliege dem jederzeitigen Kündigungsrecht der Patientin, da die von der Klinik geschuldeten Leistungen im Sinne des § 627 Abs. 1 BGB Dienste höherer Art seien, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

Entgegenstehende AGB unwirksam

Die von §§ 627  Abs. 1, 628 Abs. 1 BGB abweichenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin seien unwirksam, weil sie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung – dem "freien" und sanktionslosen Kündigungsrecht bei Diensten höherer Art, die auf besonderem Vertrauen beruhen – nicht zu vereinbaren seien. Überdies seien sie mit dem Grundgedanken des § 280 Abs. 1 BGB unvereinbar, nach dem vertragliche Schadenersatzansprüche eine zu vertretende Pflichtverletzung des Schuldners – hier der Patientin – voraussetzen. Eine Einschränkung auf diese Fälle sehe die Klausel aber nicht vor.

BGH, Urteil vom 08.10.2020 - III ZR 80/20

Redaktion beck-aktuell, 8. Oktober 2020.