Schadenersatzklage gegen VW in "Dieselfall" wegen Verjährung erfolglos
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Der Käufer eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Kfz ist mit seiner Schadenersatzklage gegen die VW AG vor dem Bundesgerichtshof gescheitert. Da er bereits 2015 Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs erlangt, aber erst 2019 Klage erhoben hatte, erachtete der BGH mögliche Ansprüche als verjährt.

Mit "Schummelsoftware" ausgestattetes Fahrzeug im April 2013 erworben

Der Kläger erwarb im April 2013 einen von der beklagten VW AG hergestellten Touran, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 ausgestattet ist. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus durchfährt, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.

2015 Kenntniserlangung von "Dieselskandal" und eigener Betroffenheit

Der Kläger erlangte im Jahr 2015 nicht nur allgemein von dem damals aufgedeckten "Dieselskandal" Kenntnis, sondern auch konkret davon, dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war. Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage hat er Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hatte der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (BeckRS 2020, 5745).

BGH: Anspruch begründende Umstände seit 2015 bekannt

Die Revision des Klägers, mit der er sein Klageziel weiterverfolgt hat, blieb ohne Erfolg. Die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren erforderliche Kenntnis des Geschädigten von den den Anspruch begründenden Umständen sei vorhanden, so der BGH, wenn ihm die Erhebung einer Schadenersatzklage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich und zumutbar ist. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger bereits 2015 Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hatte, die einen Schadenersatzanspruch aus § 826 BGB begründen, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts habe der Kläger seit 2015 vom Dieselskandal allgemein und von der Betroffenheit seines Fahrzeugs Kenntnis. Er habe gewusst, dass sein Fahrzeug als eines von mehreren Millionen VW-Dieselfahrzeugen mit derumstrittenen Motorsteuerungssoftware ausgestattet war. Naturgemäß sei dem Kläger weiter bekannt gewesen, ob er beim Kauf des Fahrzeugs die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben als selbstverständlich vorausgesetzt hatte und ob er das Fahrzeug auch gekauft hätte, wenn er von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung und den damit möglicherweise verbundenen Konsequenzen gewusst hätte.

Täuschungsabsicht nahliegend

Die dem Kläger damit bekannten Tatsachen reichten nach Ansicht des BGH aus, den Schluss nahe zu legen, dass der Einbau der Motorsteuerungssoftware, die nach ihrer Funktionsweise ersichtlich auf Täuschung der zuständigen Genehmigungsbehörde abzielte, auf einer am Kosten- und Gewinninteresse ausgerichteten Strategieentscheidung beruhte. Denn die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung habe die grundlegende strategische Frage betroffen, mit Hilfe welcher technischen Lösung die Beklagte die Einhaltung der – im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren – Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte. Sie habe sich auf die Produktion von mehreren Millionen Fahrzeugen ausgewirkt und sei mit weitreichenden Konsequenzen, nicht zuletzt enormen Risiken, verbunden gewesen. Aus denselben Gründen war es laut BGH weiter naheliegend, dass eine solche Strategieentscheidung nicht etwa von einem untergeordneten Mitarbeiter im Alleingang, sondern von einem Vorstand oder einem sonstigen verfassungsmäßig berufenen Vertreter, dessen Verhalten der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist, getroffen oder jedenfalls gebilligt worden war.

Klage auch zumutbar – keine konkret verantwortliche Person zu benennen

Für die Zumutbarkeit der Klageerhebung und damit den Beginn der Verjährungsfrist habe es keiner näheren Kenntnis des Klägers von den "internen Verantwortlichkeiten" im Hause der Beklagten bedurft, meint der BGH weiter. Insbesondere sei es nicht erforderlich gewesen, die Verwirklichung des Tatbestands des § 826 BGB zuverlässig einer namentlich benannten Person im Hause der Beklagten zuzuordnen. Nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sekundären Darlegungslast könne das Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden vom Kläger keinen näheren Vortrag dazu verlangen, welche konkrete bei der Beklagten tätige Person das sittenwidrige Verhalten an den Tag gelegt hat.

Zutreffende rechtliche Bewertung durch Käufer nicht maßgeblich

Darauf, ob der Kläger bereits 2015 aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zog, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB herleitete, komme es nicht an, unterstreicht der BGH. Der eng begrenzte Ausnahmefall, dass die Erhebung einer (Feststellungs-)Klage wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage unzumutbar war und der Verjährungsbeginn daher hinausgeschoben wurde, liege hier nicht vor. Ausgehend von der schon bestehenden Rechtsprechung des BGH zu § 826 BGB (insbesondere zu Sittenwidrigkeit und Schaden) sowie zur sekundären Darlegungslast sei schon 2015 erkennbar gewesen, dass sich diese Rechtsprechung auf die hier vorliegende Fallkonstellation übertragen lassen würde, sodass die Rechtsverfolgung schon 2015 hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach und zumutbar war.

BGH, Urteil vom 17.12.2020 - VI ZR 739/20

Redaktion beck-aktuell, 17. Dezember 2020.