Abgasskandal: Schadenersatzanspruch nach Nichtausübung verbrieften Rückgaberechts
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Der Käufer eines – wie sich später herausstellte – vom Abgasskandal betroffenen Autos kann auch dann einen Schadenersatzanspruch gegen die Autoherstellerin (hier: die Audi AG) aus § 826 BGB haben, wenn er von einem Rückgaberecht, das im zur Finanzierung des Autokaufs geschlossenen Darlehensvertrag (mit der Audi Bank) verbrieft war, nach Kenntniserlangung vom Abgasskandal und der Betroffenheit seines Autos keinen Gebrauch gemacht hat. Dies stellte der Bundesgerichtshof klar.

Audi mit Darlehen der Audi Bank erworben

Der Kläger nahm die beklagte Audi AG auf Schadenersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch. Er hatte im Februar 2017 einen Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtwagen zum Preis von 46.800 Euro erworben. Das Fahrzeug ist mit einem von der Audi AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 897 ausgestattet. Der Kaufpreis wurde finanziert über ein Darlehen der Audi Bank. Der Darlehensvertrag verbriefte ein Rückgaberecht des Klägers dergestalt, dass er das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate in der 9. Kalenderwoche 2021 an die Verkäuferin zu einem bereits festgelegten Kaufpreis zurückübertragen konnte. Der Kläger hat davon keinen Gebrauch gemacht.

Käufer will vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeug zurückgeben

Das Fahrzeug unterlag einem im Jahr 2018 erlassenen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung beziehungsweise der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Der Kläger ließ ein vom KBA freigegebenes Software-Update im Januar 2019 auf sein Fahrzeug aufspielen. Die in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der BGH hat auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nichtausübung des Rückgaberechts steht Anspruch nicht entgegen

Hinsichtlich des verbrieften Rückgaberechts, das dem Kläger bei der Finanzierung des Fahrzeugkaufpreises eingeräumt worden war, hat der BGH entschieden, dass der Schaden des Klägers nicht dadurch nachträglich entfallen ist, dass er dieses Recht nicht ausgeübt, sondern das Finanzierungsdarlehen vollständig abgelöst hat. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte der Kläger den Kaufvertrag in Kenntnis der - revisionsrechtlich zu unterstellenden - unzulässigen Abschalteinrichtung und wegen des daraus resultierenden Stilllegungsrisikos nicht abgeschlossen (vgl. BGH, NJW 2020, 1962, Rn. 19, 49 ff.; WM 2020, 1642). Der Schaden liege bereits in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, NJW 2020, 1962, Rn. 47 f.).

Kein Bestätigungswille durch Darlehensablösung

Dass der Kläger das Darlehen vollständig abgelöst habe, anstatt das Fahrzeug zu den beim Erwerb festgelegten Konditionen an die Verkäuferin zurückzugeben, mache diese Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts nicht ungeschehen. Der Nichtausübung des Rückgaberechts sei keine Zustimmung zu dem ursprünglich ungewollten Vertragsschluss zu entnehmen. Allein der Fortführung des ursprünglich geschlossenen Finanzierungsvertrages durch Zahlung der Schlussrate komme kein Bestätigungswille im Hinblick auf den Kaufvertrag zu. Dem Kläger sei auch keine Verletzung einer Obliegenheit zur Schadensminderung anzulasten. Das Risiko, bei Ausübung des Rückgaberechts wirtschaftlich schlechter zu stehen als bei einem Vorgehen - wie hier - im Wege des Schadensersatzes gemäß § 249 Abs. 1 BGB, habe er nicht eingehen müssen.

Finanzierter Kauf anders als Leasing zu behandeln

Die Rechtsprechung des Senats zur Berechnung des Nutzungsersatzes im Rahmen von Leasingverträgen (WM 2021, 2056) sei auf den finanzierten Eigentumserwerb unter Einräumung eines Rückgaberechts nicht übertragbar. Die Darlehensraten seien keine Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Ein Leasingnehmer erwerbe nur die Möglichkeit zur Nutzung für einen begrenzten, vorher festgelegten Zeitraum zu bestimmten, mit dem Leasinggeber vereinbarten Bedingungen. Dagegen beruhe der fremdfinanzierte Kauf trotz der Rückgabeoption auf einer Investitionsentscheidung, die von vornherein auf den Eigentumserwerb gerichtet sei und dem Erwerber erst die Möglichkeit verschaffe, das Fahrzeug dem Finanzierungsgeber zur Sicherung zu übereignen. Ein widersprüchliches, womöglich den Anspruch gemäß § 242 BGB ausschließendes Verhalten des jeweiligen Klägers sei vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.

Weitere Feststellungen erforderlich

Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB getroffen hat, sei die Sache nicht zur Endentscheidung reif gewesen.

BGH, Urteil vom 16.12.2021 - VII ZR 389/21

Redaktion beck-aktuell, 16. Dezember 2021.