Sammelklageninkassos für Schweizer Erwerber im VW-Dieselskandal zulässig
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Ein Inkassodienstleister kann sich wirksam Schadensersatzforderungen abtreten lassen, auf die sich Schweizer Erwerber von Kraftfahrzeugen gegen die Volkswagen AG berufen haben. Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs stellte klar, dass ein nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierter Inkassodienstleister auch dann keiner weiteren Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedarf, wenn er eine ihm treuhänderisch übertragene und einem ausländischen Sachrecht unterfallende Forderung außergerichtlich geltend macht.

Schweizer kauft VW Tiguan mit Schummelsoftware

Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz kaufte im Februar 2015 in der Schweiz von einer Schweizer Vertragshändlerin der beklagten Fahrzeugherstellerin einen VW Tiguan mit Erstzulassung 2015. In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut. Der Motor war mit einer Software ausgestattet, die auf dem Prüfstand für den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb bewirkte. Das Kraftfahrt-Bundesamt bewertete diese Software als unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete für die betroffenen Fahrzeuge einen Rückruf an. In der Schweiz erließ das Bundesamt für Straßen im Oktober 2015 ein vorläufiges Zulassungsverbot für bestimmte Fahrzeuge mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189, von dem das Fahrzeug des Zedenten nicht betroffen war. Der Erwerber ließ Ende 2016 ein Software-Update aufspielen.

Forderung gegen VW an Inkassodienstleister abgetreten

Am 18.12.2017 trat der Erwerber seine Forderungen gegen die Beklagte an eine nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierte Inkassodienstleisterin (Klägerin) in der Rechtsform einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung treuhänderisch zur Einziehung ab. Die Klägerin sollte die Forderung zunächst außergerichtlich geltend machen. Im Falle des Scheiterns der außergerichtlichen Geltendmachung sollte sie die Ansprüche im eigenem Namen gerichtlich geltend machen, wobei ihr im Erfolgsfall eine Provision zukommen sollte. Der Erwerber sollte für etwaige Kosten der Rechtsverfolgung nicht aufkommen müssen. Die Klägerin, die sich in über 2.000 Fällen in entsprechender Weise Forderungen von Schweizer Erwerbern treuhänderisch zur Einziehung hat abtreten lassen, hat 2019 Feststellungklagen erhoben. Das LG hat das Verfahren die Ansprüche des einen Erwerbers betreffend abgetrennt. Auf richterlichen Hinweis hat die Klägerin sodann ihren Antrag umgestellt und die Beklagte auf Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrags, mindestens jedoch 5.394 CHF (15% des Kaufpreises als Minderwert) zuzüglich Zinsen ab Übergabe des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Das LG hatte die Klage abgewiesen, das OLG die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Revision erfolgreich - BGH präzisiert § 10 RDG

Zur Begründung hatte das OLG noch ausgeführt, der Klägerin fehle für die Geltendmachung der Schadensersatzforderung des Erwerbers die Aktivlegitimation. Die Klägerin habe für die Geltendmachung der Forderung, die Schweizer Recht unterfalle, einer Erlaubnis nicht nur – wie vorhanden – nach §§ 2 Abs. 2 Satz 1,3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, sondern nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedurft, über die sie nicht verfüge. Folge sei, dass die Klägerin durch ihr Tätigwerden gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen habe. Dieser Verstoß führe nicht nur zur Nichtigkeit des der Abtretung zugrundeliegenden schuldrechtlichen Dienstleistungsvertrags mit dem Zedenten, sondern auch zur Nichtigkeit der Forderungsabtretung. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BGH hat anhand einer am Wortlaut, an der Systematik und an Sinn und Zweck des RDG sowie an der Gesetzgebungsgeschichte orientierten Auslegung klargestellt, dass ein nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierter Inkassodienstleister auch dann keiner weiteren Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedarf, wenn er eine ihm treuhänderisch übertragene und einem ausländischen Sachrecht unterfallende Forderung außergerichtlich geltend macht.

Zusätzliche Erlaubnis nicht erforderlich - Rechtssache zurückverwiesen

Dabei hat der BGH eigenen Angaben zufolge die Entscheidungen des Achten Zivilsenats vom 27.11.2019 (in NJW 2020, 208) und des Zweiten Zivilsenats vom 13.07.2021 (in NZG 2021, 1175) berücksichtigt. Darüber hinaus hat der BGH entschieden, dass das Abhängigmachen der Tätigkeit der Klägerin von einer zusätzlichen Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG zur Erreichung des Schutzzwecks des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht erforderlich sei. Weil sich schon deshalb die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin fehle wegen einer aus einem Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz folgenden Nichtigkeit der Abtretung die Aktivlegitimation, als rechtsfehlerhaft erwiesen habe, hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht wird sich nunmehr mit der inhaltlichen Berechtigung der Forderung des Zedenten (Erwerber) zu befassen haben.

BGH, Urteil vom 13.06.2022 - VIa ZR 418/21

Gitta Kharraz, 14. Juni 2022.