Sammelklage-Inkasso nach Insolvenz von Air Berlin zulässig
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Ein sogenanntes Sammelklage-Inkasso ist zulässig. Der Bundesgerichtshof hat am 13.07.2021 im Verfahren eines Inkassodienstleisters gegen Air Berlin entschieden, dass die zugrundeliegenden Abtretungen rechtswirksam sind und kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vorliegt. Die §§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG erfassten Geschäftsmodelle mit, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen.

Inkassounternehmens geht gegen Air-Berlin vor

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist als Rechtsdienstleisterin für Inkassodienstleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG) registriert. Auf einer Webseite warb sie dafür, dass Ansprüche gegen die zwischenzeitlich insolvente Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG auf Rückzahlung von Flugpreisen gesammelt über sie geltend gemacht werden könnten. Den Kunden sollten keine Kosten entstehen, die Klägerin will stattdessen im Erfolgsfall 35% der Nettoerlöse aus dem Forderungseinzug behalten. Die Klägerin machte aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche von insgesamt sieben Kunden gegen den ehemaligen Geschäftsleiter der Air Berlin geltend, weil er verspätet Insolvenzantrag gestellt habe. Die Kunden hatten zwischen Mai und Juli 2017 Flüge bei Air Berlin gebucht und bezahlt, die aufgrund der Insolvenz nicht mehr durchgeführt wurden. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen erfolglos blieb, legte die Klägerin Revision ein.

BGH hat keine Einwände gegen Sammelklage-Inkasso

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache für weitere Feststellungen zurückverwiesen. Selbst entschieden hat er, dass die hier zu beurteilende Tätigkeit der Klägerin von ihrer Befugnis gedeckt ist, Inkassodienstleistungen zu erbringen. Vom Inkassobegriff der §§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG würden Geschäftsmodelle miterfasst, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielten. Dies gelte auch für das sogenannte Sammelklage-Inkasso, bei dem mehrere Forderungen gesammelt und gebündelt gerichtlich geltend gemacht werden. Weder dem Wortlaut noch der Systematik der §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 RDG lasse sich entnehmen, dass solche Inkassoformen keine zulässigen Rechtsdienstleistungen seien.

Kein Verstoß gegen Rechtsdienstleistungsgesetz

Bei einer am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, orientierten Würdigung erfasse der Begriff der Inkassodienstleistung unter Berücksichtigung der Berufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters (Art. 12 Abs. 1 GG) auch das hier gewählte Inkassomodell, selbst wenn dazu eine Vielzahl von Einzelforderungen gebündelt werde. Der Klägerin sei ihre Tätigkeit auch nicht wegen der Unvereinbarkeit mit einer anderen Leistungspflicht nach § 4 RDG verboten. Ein Interessenkonflikt, der eine entsprechende Anwendung des § 4 RDG auf den vorliegenden Fall rechtfertigen könnte, liege nicht vor. Da der Klägerin mit dem Sammelklage-Inkasso kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz zur Last falle, sei die zwischen den Kunden von Air Berlin und der Klägerin vereinbarte Abtretung wirksam.

BGH, Urteil vom 13.07.2021 - II ZR 84/20

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2021.