Rückwirkende Anwendung milderer Sanktionen im Energierecht

Die abgemilderten Sanktionen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2017) gelten auch dann bei Verstößen gegen Meldepflichten, wenn der Betreiber die Photovoltaik-Anlage vor dem 01.08.2014 in Betrieb genommenen hat. Die rückwirkende Anwendung dieser Regelung ist mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot vereinbar, so der Bundesgerichtshof. Die Normadressaten würden dadurch nicht belastet.

Solaranlage erst sechs Monate nach Inbetriebnahme angemeldet

Der Betreiber einer Photovoltaik-Dachanlage verklagte ein Energieversorgungsunternehmen, ihm 7.784 Euro zu zahlen. Er hatte die Anlage im Mai 2012 in Betrieb genommen. Der von ihr produzierte Strom wurde in das von der Beklagten betriebene Energieversorgungsnetz eingespeist. Im Januar 2012 hatte er versichert, die Anlage bei der Bundesnetzagentur zu melden. Daraufhin vergütete die Versorgerin zunächst die von ihm eingespeisten Strommengen nach den Vergütungssätzen des EEG. Eine Überprüfung 2014 ergab, dass der Kläger seine Anlage erst im November 2014 gemeldet hatte. Daraufhin erstellte die Stromabnehmerin Korrekturabrechnungen über die Einspeisevergütungen, in denen sie seinen Vergütungsanspruch für die Zeit von August bis November 2014 auf null reduzierte. Der Stromerzeuger zahlte die Vergütung unter Vorbehalt zurück. Das LG Itzehoe wies die Klage ab. Das OLG Schleswig verurteilte die Netzbetreiberin, 7.784 Euro seit dem 25.01.2019 zu zahlen, da sie um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert sei. Durch die Änderung der Übergangsvorschrift des § 100 EEG 2017, die nach Art. 15 Abs. 2 dieses Gesetzes rückwirkend zum 01.01.2017 Anwendung finde, sei die gesetzliche Verpflichtung, aufgrund derer der Kläger die Einspeisevergütung in voller Höhe zurückgezahlt habe, nachträglich weggefallen. Für die Stromeinspeisungen gelte insoweit die abgemilderte Sanktion des § 52 Abs. 3 Nr. 1 EEG 2017, nach der sich der Vergütungsanspruch lediglich um 20% verringere. Die Revision der Beklagten beim BGH hatte keinen Erfolg.

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

Der XIII. Zivilsenat stimmte dem OLG zu. Auch für die Anlage des Klägers gelte § 52 Abs. 3 Nr. 1 EEG 2017. Dies folge sowohl aus dem Wortlaut des § 100 Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b, Satz 2 und 3 EEG 2017 n.F., als auch aus der Begründung des Gesetzgebers zur geänderten Übergangsregelung. Danach sei die Norm auch auf Zahlungen für nach dem 31.07.2014 eingespeisten Strom unterschiedslos für alle Bestandsanlagen anwendbar, die nach dem 31.12.2011 in Betrieb genommen worden seien und bei denen gegen die Verpflichtung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EEG 2012 verstoßen wurde, die Anlage zu melden. Die Anlage des Betreibers sei am 24.05.2012 und damit nach dem 31.12.2011, aber vor dem 01.08.2014 in Betrieb genommen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die rückwirkende Änderung der Übergangsvorschrift des § 100 EEG 2017 a.F. bestünden nicht. Zwar handele es sich um eine konstitutive Änderung der bisherigen Rechtslage. Die Normadressaten würden dadurch jedoch nicht belastet. Für den Anlagenbetreiber sei die Änderung begünstigend. Für den Netzbetreiber erweise sie sich als wirtschaftlich neutral. Der mit den erforderlichen Neuberechnungen verbundene Aufwand stelle schon keine Belastung dar; die (Rück)zahlungen könne er an den Übertragungsnetzbetreiber überwälzen.

BGH, Urteil vom 14.12.2021 - XIII ZR 1/21

Redaktion beck-aktuell, 10. Juni 2022.