Rücktritt vom Tötungsversuch bei Vorsatzwechsel

Ein Mann, der drei Mal in den Rücken einer anderen Person sticht, kann vom Tötungsversuch zurücktreten, indem er aufhört, sein Messer weiter einzusetzen. Dagegen sprechen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht unbedingt weitere Schläge und Tritte gegen den Geschädigten. Maßgeblich sei die Vorstellung des Täters, er könne seinen Tötungsvorsatz aufgeben und anschließend dem anderen nicht lebensgefährliche Verletzungen zufügen.

Herausgabe eines Chrysler Crossfires auf Biegen und Brechen

Ein Handwerker und sein Kunde stritten sich: Der Handwerker weigerte sich, den Wagen seines Kunden an ihn herauszugeben, bis dieser seine Forderungen beglichen habe. Schon vor Weihnachten 2019 hatte es eine tätliche Auseinandersetzung deswegen gegeben, die den Handwerker aber nicht umzustimmen vermochte. Im Januar kam der Chrysler-Eigentümer wieder, dieses Mal aber mit Verstärkung durch seine Brüder. Außerdem hatte er sich eine Pistole eingesteckt, wovon die anderen nichts wussten. Ein Bruder wartete vor dem Grundstück. Der andere folgte dem Kunden auf das Grundstück. Auch er war bewaffnet, er hatte sich ohne Wissen seiner Mitstreiter ein Messer eingesteckt. Sie gingen in die Halle, der Handwerker verwies sie seines Grundstücks, sie weigerten sich. Er versuchte, sie physisch hinauszudrängen, daraufhin schlugen sie sich. Der Bruder des Autoeigentümers versetzte dem Handwerker drei lebensgefährliche Messerstiche in den Rücken, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Der andere Angreifer merkte davon nichts, denn der Handwerker wehrte sich weiter heftig. Der Messerstecher ging deshalb davon aus, dass die Stiche nicht lebensgefährlich gewesen waren. Er wollte auch nicht länger den Tod, sondern schlug nur noch in Verletzungsabsicht weiter. Der Chrysler-Eigentümer holte plötzlich seine Schusswaffe heraus und schoss fünf Mal auf seinen Widersacher. Sein Bruder wurde davon überrascht und floh, weil er die Schüsse nicht mittragen wollte. Der Handwerker überlebte. Das Landgericht Stuttgart verurteilte den Angreifer mit der Pistole wegen versuchten Totschlags zu elfeinhalb und seinen Bruder wegen gefährlicher Körperverletzung zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Die Staatsanwaltschaft erhob die Revision zum Bundesgerichtshof – ohne Erfolg.

Rücktritt vom unbeendeten Tötungsdelikt

Der BGH bestätigte die Würdigung der Stuttgarter Richter, wonach der Bruder nach den Messerstichen strafbefreiend nach § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB vom Tötungsversuch zurückgetreten war. Da sich die Vorschrift auf den konkreten Tatbestand beziehe, habe er vom unbeendeten Tötungsversuch zurücktreten können, indem er lediglich davon absah, dem Handwerker weitere Messerstiche zuzufügen. Die Fortführung der Auseinandersetzung mit Schlägen und Tritten steht dem laut den Karlsruher Richtern nicht entgegen, denn nach des Täters Vorstellung dienten die Schläge nur der Hinzufügung von weiteren Verletzungen, nicht aber dem Tod. Es gebe auch keine Anzeichen dafür, dass die Schläge – selbst unter Berücksichtigung der vorherigen Stiche – so gefährlich gewesen wären, dass aus ihnen ein bedingter Tötungsvorsatz zu schließen wäre. Die Schüsse seines Bruders waren ihm nicht zuzurechnen, da er nichts von der Schusswaffe gewusst und deren Einsatz auch nicht gebilligt hatte.

BGH, Urteil vom 13.12.2022 - 1 StR 408/21

Redaktion beck-aktuell, 30. Januar 2023.