Rücknahme der Revision durch Verurteilte gegenüber der Staatsanwaltschaft

Wer sein Rechtsmittel gegen ein Strafurteil selbst – am Verteidiger vorbei – zurücknimmt, muss sich an dieser Erklärung festhalten lassen. Das gilt dem Bundesgerichtshof zufolge auch dann, wenn die Erklärung der Staatsanwaltschaft gegenüber abgegeben und von dieser weitergeleitet worden ist. Wenn der Wille, das Revisionsverfahren sofort zu beenden, eindeutig erkennbar sei, sei das Rechtsmittelverfahren mit Eingang beim Gericht unwiderruflich abgeschlossen. 

Verurteilte nimmt Revision selbst zurück

Eine Frau, die wegen Mordes vom Landgericht Ulm zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, erhob zunächst über ihren Verteidiger die Revision. Knapp zwei Monate später erreichte die Staatsanwaltschaft ein Schreiben der in Untersuchungshaft befindlichen Frau, wonach sie "mit sofortiger Wirkung" die Revision zurücknehmen und "sofort rechtskräftig werden" wolle. Sie bat darum, "die Rechtskräftigkeit ein(zuleiten)". Die Staatsanwaltschaft leitete das Schreiben an das Landgericht weiter, die daraufhin auch gleich die Kostenentscheidungen traf. Auch ihrem Verteidiger schrieb die Frau, dass sie die Revision zurücknehmen wolle, weil sie lieber abgeschoben werden wolle. Anderthalb Monate später begründete ihr Verteidiger die Revision. Die Rücknahmeerklärung hielt er für unwirksam, weil das Schreiben an die Staatsanwaltschaft gerichtet war und weil seine Mandantin lediglich eine Absichtserklärung abgegeben habe, die von irrigen Motiven geleitet und vor anwaltlicher Beratung übereilt abgesandt worden sei. Der BGH stellte deklaratorisch fest: Das Rechtsmittel ist von ihr nach § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO wirksam zurückgenommen worden.                                                        

Wille der Frau deutlich erkennbar

Die Karlsruher Richter halten ihr Schreiben für inhaltlich eindeutig: Sie wollte die sofortige Beendigung des Revisionsverfahrens und den unmittelbaren Eintritt der Rechtsfolgen. Daran ändere sich auch nichts, wenn sie ihren Wunsch mit "ich möchte" einleite. Damit bringt sie dem BGH zufolge lediglich zum Ausdruck, dass sie höflich ist - nicht aber, dass sie beabsichtigt, später einmal die Revision zurückzunehmen. Auch die falsche Adressatin focht die Bundesrichter nicht an: Das sei ein Versehen gewesen, sie habe ihr Schreiben an die zuständige Behörde richten wollen. Mit der Weiterleitung an das Landgericht habe die Staatsanwaltschaft dem Willen der Angeklagten entsprochen, als sie darum bat, die Rechtskraft des Urteils einzuleiten. Da schwerwiegende Willensmängel der Frau nicht erkennbar waren, wurde ihre Erklärung mit Eingang beim Landgericht wirksam. Sie ist unwiderruflich und unanfechtbar.

BGH, Beschluss vom 09.08.2022 - 1 StR 119/22

Redaktion beck-aktuell, 2. September 2022.