Rücknahme der Revision kann nicht widerrufen werden

Wer unmissverständlich erklärt, die eingelegte Revision zurücknehmen zu wollen, kann diese Erklärung nicht widerrufen. Der Bundesgerichtshof stellte die Wirksamkeit einer Rücknahmeerklärung deklaratorisch fest, als ein Angeklagter seine vorherige Rücknahme widerrufen wollte, nachdem ihn sein Verteidiger besucht hatte. Die Karlsruher Richter ließen die Erklärung, er sei bei Abfassung seiner Rücknahmeerklärung einem Irrtum unterlegen, nicht gelten.

Will der Angeklagte die Revision zurücknehmen oder nicht?

Ein Mann wurde unter anderem wegen versuchten Totschlags vom Landgericht Traunstein zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Sein Verteidiger erhob für ihn Revision zum Bundesgerichtshof. Dann schrieb der Angeklagte selbst dem BGH, er würde das Rechtsmittel zurücknehmen, wenn er ab dem nächsten Monat seine Therapie beginnen könne. Auf den Hinweis des Gerichts, dass eine Rücknahme nur ohne Bedingung erklärt werden könne, schrieb er am 2. Dezember, dass er zwar gestern auf Rat seines Verteidigers diesem gegenüber schriftlich erklärt habe, er wolle die Revision durchführen. Jetzt aber sei er nach reiflicher Überlegung zu dem endgültigen Entschluss gekommen, das Rechtsmittel doch zurückzunehmen. Er halte also nicht länger an seiner anderslautenden Erklärung vom Vortag fest. Nach Versendung dieses Briefs bekam er erneut Besuch von seinem Anwalt und änderte seine Meinung wiederum - er erklärte also nochmal schriftlich, er wolle "unwiderruflich" die Durchführung seiner Revision. Die Rücknahmeerklärung sei "gegenstandslos", denn bei deren Abfassung sei er verwirrt und panisch gewesen, weil er dem Irrtum erlegen sei, dass das Rechtsmittel seiner Therapie entgegenstünde. Der Bundesgerichtshof führte die Revision nicht durch.

Wirksame Rücknahme am 2. Dezember

Der 1. Strafsenat hält die Erklärung vom 2. Dezember für eine wirksame Rücknahme des Rechtsmittels nach § 302 Abs. 1 StPO. Weil der Angeklagte das anders sieht, stellte der BGH die Wirksamkeit seiner Rücknahmeerklärung deklaratorisch fest. Der Mann habe ausdrücklich und unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er das Rechtsmittel zurücknehme. Diese Erklärung sei unwiderruflich und unanfechtbar. Die Karlsruher Richter sahen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Verfasser nicht in der Lage gewesen sei, seinen Willen frei zu bilden, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und die Bedeutung seiner Erklärung zu verstehen. Vielmehr lasse das Schreiben erkennen, dass er seine Entscheidung nach einer gründlichen Abwägung getroffen habe. Daher seien nachfolgende Erklärungen, die die Gegenstandslosigkeit vorangegangener Schreiben bekundeten, ohne Belang.

BGH, Beschluss vom 16.12.2021 - 1 StR 285/21

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2022.