BGH-Richter in Diesel-Fall befangen

Im Prozess um einen Diesel-Pkw hat der Bundesgerichtshof einen eigenen Richter als befangen abgelehnt. Der Clou: Die Klage selbst lag noch gar nicht in Karlsruhe – vielmehr sollte der dortige III. Zivilsenat erst einmal nur über das Ablehnungsgesuch des Herstellers gegen eine Richterin des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. entscheiden, das dort zurückgewiesen worden war. Richter, Richterin und Kläger hatten allesamt einen VW mit Dieselmotor gekauft.

Befangenheitsantrag gegen OLG-Richterin

Die Klägerin verlangt von VW Schadensersatz für die Abschaltautomatik in ihrem VW Touareg V6 TDI. Der enthält einen Dieselmotor vom Typ EA 897. Das Landgericht Limburg wies ihre Klage ab. Bei der Berufung gab es am OLG Frankfurt a. M. eine Komplikation: Die zuständige Berichterstatterin zeigte an, dass sie sich der im Zusammenhang mit der Motorsteuerungsproblematik bei Motoren des Typs EA 189 laufenden  Musterfeststellungsklage gegen den Fahrzeughersteller vor dem OLG Braunschweig angeschlossen habe – und ebenso dem dortigen Vergleich. Der Wolfsburger Konzern stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen sie. Die Kollegen in der Mainmetropole wiesen diesen zurück, ließen aber eine Rechtsbeschwerde zum BGH zu.

Selbstanzeige des Vorsitzenden BGH-Richters

Doch dort hakte es erneut: Der Vorsitzende des III. Zivilsenats gab bekannt, dass auch er im Frühjahr 2014 einen VW mit Dieselmotor erstanden hatte. Mehr noch: Er hatte deshalb eine Schadensersatzklage gegen VW angestrengt. Woraufhin der Autobauer ihn ebenfalls ablehnte. Diesem Antrag gaben seine Kollegen nun statt. Denn die Besorgnis der Befangenheit könne begründet sein, wenn ein Richter in einem Verfahren zwar nicht selbst Partei sei, aber über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden habe, aus dem er eigene Ansprüche gegen eine Partei geltend mache. "Aus der Sicht einer Partei, gegen die ein Richter Ansprüche erhebt, kann Anlass zu der Befürchtung bestehen, dass dieser Richter die Würdigung des Sachverhalts, wie er sie dem von ihm verfolgten Anspruch gegen die Partei zugrunde gelegt hat, auf das Verfahren gegen eine andere Partei, dem der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt, überträgt und wie in der eigenen Sache urteilt."

"In der gleichen Beziehung zu VW"

Nach diesen Maßstäben liegt hier aus Sicht der obersten Zivilrichter ein Ablehnungsgrund vor. Seiner eigenen Erklärung zufolge habe der Vorsitzende Richter einen VW mit dem Motor EA 189 erworben und aufgrund dessen eine Schadensersatzklage gegen die VW AG erhoben. "Er steht damit – insoweit – in der gleichen Beziehung zu dem Rechtsstreit wie die abgelehnte Richterin des Berufungsgerichts", heißt es in dem Karlsruher Beschluss vom 17.02.2021. Würde er an der Entscheidung über die vorliegende Rechtsbeschwerde mitwirken, würde er "somit gleichsam über die Frage seiner eigenen Befangenheit in Verfahren befinden, in denen gegen die Beklagte Ansprüche wegen eines Motors des Typs EA 897 geltend gemacht werden und die bei dem erkennenden Senat noch anfallen oder bereits angefallen sind".

BGH, Beschluss vom 17.02.2021 - III ZB 57/20

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 5. März 2021.