Wegen Musterfeststellungsklage im Dieselskandal: Richter befangen

Ein Richter, der sich wegen eines Audis mit einem EA 189-Motor an der Musterfeststellungsklage gegen VW beteiligt hatte, darf nicht an einem Abgasverfahren gegen Audi mitwirken, das sich um einen anderen Motor dreht. Laut BGH besteht die Besorgnis der Befangenheit - auch nach mehr als drei Jahren.

In einem Abgasprozess gegen Audi ging die in erster Instanz unterlegene Käuferin in Berufung. In dem erworbenen Audi war ein 3,0 l Sechszylinder-Dieselmotor verbaut. Einer der Richter des für die Berufung zuständigen Senats besaß selbst einen Audi und hatte sich wegen des darin verbauten EA 189-Motors der Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen angeschlossen. Dort schloss er einen Vergleich, mit dem auch Ansprüche gegen andere Konzerngesellschaften, insbesondere auch Audi, abgegolten waren. Der Richter hatte dies dem Gericht im August 2023 angezeigt.

Audi lehnte den Richter deshalb als befangen ab. Das OLG hielt das Ablehnungsgesuch für unbegründet, weil der Vergleich schon mehr als drei Jahre zurückliege. Außerdem sei für Voreingenommenheit kein Platz, da die Abgasrechtsprechung von BGH und EuGH die Rechtsfindung der Berufungsgerichte bestimme. Auch fahre der Richter seinen Audi weiter – das spreche ebenfalls gegen eine Befangenheit.

Keine Anhaltspunkte für Wegfall der Befangenheit

Das sah der BGH auf Rechtsbeschwerde von Audi anders (Beschluss vom 09.04.2024 - VIa ZB 22/23). Wegen der Beteiligung des Richters an der Musterfeststellungsklage gegen VW sei zu befürchten, dass er befangen ist. Mit dem Vorgehen gegen die Konzernmutter habe sich der Richter zur Frage einer täterschaftlichen Schädigung durch Audi nicht vorfestgelegt. Daher bestehe Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Richters auch gegenüber Audi als Fahrzeugherstellerin zu zweifeln. Die Sachverhalte seien – trotz unterschiedlicher Motoren – ausreichend vergleichbar: beide Male gehe es um den Vorwurf, ein Audi sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet.

Laut BGH ist die Besorgnis der Befangenheit auch drei Jahre nach Vergleichsschluss nicht weggefallen. Diese Zeitspanne genüge nicht, um ohne Weiteres anzunehmen, der Richter habe seine Einstellung geändert. Dass der Richter seinen Audi weiter fahre, biete keinen Anhaltspunkt für eine Haltungsänderung. Auch die Bedeutung der BGH- und EuGH-Abgasrechtsprechung bei der Rechtsfindung spiele keine Rolle bei der Befangenheitsbeurteilung: Denn Richter seien unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Genauso wie hier hatte der BGH schon im vergangenen Dezember entschieden. 

BGH, Beschluss vom 09.04.2024 - VIa ZB 22/23

Redaktion beck-aktuell, hs, 18. Juni 2024.

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