BGH verlangt von OLG Referenzzinssatz für Prämiensparverträge
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Der Bundesgerichtshof hat erneut den Revisionen eines Verbraucherschutzverbands im Musterfeststellungsverfahren zu Prämiensparverträgen einer Sparkasse stattgegeben. Das vorinstanzlich mit der Klärung der Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln befasste Oberlandesgericht Dresden habe es in seinem Musterfeststellungsurteil versäumt, einen Referenzzinssatz zu bestimmen.

Streit um Zinsanpassungsklausel bei Prämiensparverträgen

Die beklagte Sparkasse schloss seit Anfang der 1990er-Jahre mit Verbrauchern Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" heißt es: "Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist." Der Kläger - ein Verbraucherschutzverband - hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig.

Verbraucherschutzverband erhob Musterfeststellungsklage

Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststellungsziele. Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

BGH gibt Revision erneut statt - OLG hat keinen geeigneten Referenzzinssatz bestimmt

Das Oberlandesgericht gab der Musterfeststellungsklage teilweise statt. Soweit das Oberlandesgericht die Klage hinsichtlich des Referenzzinssatzes und der Vornahme der Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode abgewiesen hat, legte er im zweiten Rechtsgang Revision ein. Der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und das vorinstanzliche Musterfeststellungsurteil aufgehoben. Das Oberlandesgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, es könne einen Referenzzinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Solche Individualvereinbarungen seien nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und würden die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils ausschließen, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren. Das OLG müsse nunmehr einen geeigneten Referenzzinssatz bestimmen. 

Ergänzende Vertragsauslegung notwendig

Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge sei es interessengerecht, als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen einen Zinssatz oder eine Umlaufrendite mit langer Fristigkeit heranzuziehen. Bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handele. In ergänzender Vertragsauslegung sei bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten, damit das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibe. Zur Verfahrensbeschleunigung könne ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten eines anderen Gerichtsverfahrens verwertet werden. Dass sich die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei Anwendung der Verhältnismethode im Fall eines Anstiegs des Referenzzinssatzes erhöhe und im Fall eines Absinkens des Referenzzinssatzes reduziere, verstoße nicht gegen die Grundsätze des Preisanpassungsrechts, weil die Musterbeklagte keinen Einfluss auf die Höhe der Zinsanpassungen habe.

BGH, Urteil vom 24.01.2023 - XI ZR 257/21

Redaktion beck-aktuell, 24. Januar 2023.