Restvergütung nach vorzeitiger Kündigung bei nicht abgeschlossener Planungsgrundlage

Bei einer vorzeitigen Kündigung eines Architekten- oder Ingenieurvertrags durch einen Besteller, dem bei Fortführung des Vertrags ein Sonderkündigungsrecht zugestanden hätte, werden grundsätzlich keine Leistungen vergütet, die erst nach einer möglichen Sonderkündigung angefallen wären. Andernfalls würde der Unternehmer laut Bundesgerichtshof Vorteile ziehen, die gesetzlich nicht geschuldet sind. 

Ingenieurvertrag nach sechsmonatiger Tätigkeit gekündigt

Eine Ingenieurin verlangte von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie deren zwei Gesellschaftern eine Restvergütung von rund 18.200 Euro. Die Parteien hatten im Dezember 2018 einen Vertrag auf Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure 2013  geschlossen. Die Planerin sollte den Neubau eines Bürogebäudes mit Industrie- und Lagerhalle zu einem Pauschalhonorar von 39.500 Euro anfertigen. Die Konstrukteurin nahm ihre Tätigkeit auf und schickte den Beklagten im März 2019 Planungsunterlagen, die diese einen Monat zuvor unterzeichnet hatten. Zeitgleich beglich das Unternehmen eine Honorarabschlagsrechnung von 9.520 Euro. Die Firma beanstandete die Leistungen und kündigte ihr im Mai 2019 fristlos. Die Klägerin errechnete für überwiegend erbrachte Leistungen der Leistungsphase 2 einen Honoraranspruch von 7.820 Euro und verlangte unter Abzug des danach verbleibenden Rests der Abschlagszahlung (9.520 Euro – 7.820 Euro) nunmehr noch für nicht erbrachte Leistungen bis einschließlich Leistungsphase 5 eine Restvergütung von 18.200 Euro. 

OLG: Offene Zielfindungsphase

Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte die Gesamtschuldner antragsgemäß. So auch das dortige Oberlandesgericht, wenngleich es den Zinssatz herabsetzte. Die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 650r Abs. 1 Satz 1 BGB (Sonderkündigungsrecht des Bestellers) hätten nicht vorgelegen. Die Klägerin habe ihre Pflichten aus der Zielfindungsphase nach § 650p Abs. 2 BGB mit den im März 2019 übermittelten Unterlagen nicht als abgeschlossen angesehen und daher auch keine Zustimmung der Beklagten erwartet. Die Revision der GbR beim BGH hatte teilweise Erfolg.

Leistungen nach gedachter Sonderkündigung nicht zu berücksichtigen

Der VII. Zivilsenat verwies die Sache ans OLG zurück. Es habe die Berechnung der Höhe der geschuldeten Vergütung nach § 648 Satz 2 BGB falsch beurteilt. Die nicht erbrachten Leistungen der Klägerin hätten insoweit nicht berücksichtigt werden dürfen, als sie nach einer Vorlage der Planungsgrundlage mit einer Kosteneinschätzung zur Zustimmung nach § 650p Abs. 2 Satz 2 BGB zu erbringen gewesen wären. Das ergebe sich zum einen aus der Systematik des Gesetzes, wonach solche Architekten- und Ingenieurverträge dem Unternehmer keine rechtlich gesicherte Position verschaffen, diese (weiteren) Vergütungsteile auch zu verdienen. Denn der Besteller könne nach Vorlage der Unterlagen durch den Unternehmer ohne weitere Voraussetzungen mit der Folge kündigen, dass eine entsprechende Vergütungspflicht entfalle (§ 650r Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB). Habe er unabhängig davon bereits zuvor gekündigt, könne unterstellt werden, dass er erst recht diese Kündigungsmöglichkeit ergriffen hätte. Daher würde der Unternehmer Vorteile aus der frühzeitigen freien Kündigung des Bestellers ziehen, erhielte er nunmehr auch Vergütungsanteile, die nach § 650r Abs. 3 BGB nicht geschuldet wären.

BGH, Urteil vom 17.11.2022 - VII ZR 862/21

Redaktion beck-aktuell, 14. Dezember 2022.