Restschadensersatz im Dieselskandal auch bei EU-Reimporten

Grundsätzlich kann ein geschädigter Dieselkäufer auch hinsichtlich des Erwerbs eines EU-Reimports Restschadensersatz vom Hersteller in Form der Herausgabe des Kaufpreises verlangen. Dies gelte aber nur, wenn der Fahrzeugkauf auf einer durchgreifenden mittelbaren Vermögensverschiebung beruhe, entschied der Bundesgerichtshof.

Käufer eines Reimport-Diesels verlangt Schadensersatz

Der Kläger, der einen Diesel-Neuwagen des Typs VW Tiguan als Reimport für 30.000 Euro erworben hatte, verlangte von VW mit Blick auf die im Zuge des sogenannten Dieselskandals bekanntgewordene Verwendung einer unzulässigen Abgasregelung Schadensersatz, obwohl er im November 2016 das vom KBA anerkannte Software-Update aufspielen ließ. Während das Landgericht die Klage abwies, gab das Berufungsgericht dem Kläger Recht und erkannte ihm einen Teilschadensersatz zu. Die Beklagte sei dem Grunde nach gemäß §§ 826, 31 BGB zum Schadensersatz in Form der Rückgängigmachung des Kaufvertrags über das Fahrzeug verpflichtet. Dieser Anspruch sei jedoch verjährt. Die Beklagte habe allerdings gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB den auf Kosten des Klägers erlangten Kaufpreis herauszugeben, soweit er ihr nach Abzug der Herstellungskosten und der Händlermarge verblieben sei. Dass der Kläger das Fahrzeug nicht direkt von der Beklagten, sondern über einen Händler als reimportierten EU-Neuwagen erworben habe, schließe die Anwendung des § 852 Satz 1 BGB nicht aus. Auch wenn die Beklagte das Neufahrzeug zunächst in das EU-Ausland verkauft und den Kaufpreis unmittelbar von dem erwerbenden Händler erhalten habe, habe sie ihn doch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht auf dessen Kosten, sondern auf Kosten des Klägers erlangt. Kläger und Beklagte legten jeweils Revision ein.

Anspruch nur bei "durchgreifender Vermögensverschiebung"

Der BGH hat den Revisionen stattgegeben und die Sache zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe zutreffend entschieden, dass der Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB verjährt sei. Allerdings reichten die Feststellungen nicht aus, um einen Anspruch des Klägers aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu bejahen. Wie der Senat am 21.03.2022 bereits entschieden habe, (BeckRS 2022, 6779), hänge die Frage, ob der Erwerber nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB einen Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB geltend machen könne, von den vom Tatrichter festzustellenden Umständen des Einzelfalls ab. Liege danach dem Neuwagenkauf eines nach § 826 BGB durch den Fahrzeughersteller Geschädigten bei einem Händler die Bestellung des bereitzustellenden Fahrzeugs durch den Händler bei dem Fahrzeughersteller zugrunde und hätten der Fahrzeughersteller und der Händler einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, aufgrund dessen der Fahrzeughersteller gegen den Händler einen Anspruch auf Zahlung des Händlereinkaufspreises erlangt habe, sei dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegeben, weil der schadensauslösende Vertragsschluss zwischen dem Geschädigten und dem Händler einerseits und der Erwerb des Anspruchs auf Zahlung des Händlereinkaufspreises beziehungsweise der Erwerb des Händlereinkaufspreises durch den Fahrzeughersteller andererseits auf derselben, wenn auch mittelbaren Vermögensverschiebung beruhten. Habe der Händler dagegen das Fahrzeug unabhängig von einer Bestellung des Geschädigten vor dem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben, fehle es am Zurechnungszusammenhang, mit der Folge dass keine Ansprüche bestünden.

Grundsätze gelten auch bei Erwerb von EU-Reimporten

Nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB bestünde dann auch kein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass diese Grundsätze auch für den Erwerb im Weg des EU-Reimports gelten. Die Beteiligung eines weiteren, im EU-Ausland ansässigen Zwischenhändlers neben dem inländischen Händler und Verkäufer schließe eine Vermögensverschiebung vom geschädigten Erwerber zum Hersteller eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeugs im Sinne von §§ 826, 852 Satz 1 BGB nicht aus. Erforderlich sei jedoch auch hier, dass der Fahrzeugerwerb durch den geschädigten Erwerber zu einem korrespondierenden Vermögenszuwachs beim Hersteller geführt habe. Das sei nur dann der Fall, wenn weder der inländische Händler noch der ausländische Zwischenhändler das Fahrzeug zuvor unabhängig von der Bestellung des Geschädigten auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben haben. Das Berufungsgericht müsse zu dieser entscheidungsrelevanten Frage weitere Feststellungen treffen. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu, seien für die Bemessung der Höhe des Anspruchs die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 21.02.2022 heranzuziehen.

BGH, Urteil vom 13.06.2022 - VIa ZR 680/21

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2022.