Reiseveranstalter muss Entschädigungshöhe beweisen

Ein Reiseveranstalter kann sich nicht auf einen nicht belegten Pauschalwert für die Entschädigung zurückziehen, die ihm nach einem Reiserücktritt noch zusteht. Der Bundesgerichtshof betont in einer Reihe von gemeinsam veröffentlichten Entscheidungen, dass der Reiseveranstalter für die konkrete Höhe darlegungs- und beweisbelastet ist. Außerdem stellt er klar: Der Anspruch des Reisenden auf Rückzahlung gehe auf die Reiserücktrittsversicherung über und könne von ihr auch weiter an ein Inkassounternehmen abgetreten werden.

Pauschaler Einbehalt

In mehreren Fällen war es zum Streit zwischen Reiseveranstalter und Reiserücktrittsversicherer darüber gekommen, ob die einbehaltenen Gebühren angemessen waren. Die Kunden waren jeweils vor Antritt der Fahrt zurückgetreten und hatten die gezahlten Beträge nur unter Abzug einer pauschalen Entschädigung von bis zu 75% der Reisekosten zurückerhalten. Ihre Versicherungen glichen diese Schäden aus und nahmen dann den Veranstalter in Regress, wobei sie die Ansprüche teilweise an ein Inkassounternehmen abtraten. Vor den Amtsgerichten Düsseldorf (X ZR 125/20) und München (X ZR 88-93/20 und X ZR 109/20) hatten diese Klagen in keinem Fall Erfolg, da es an der Aktivlegitimation des Versicherers fehle. Diese Ansicht teilte das Landgericht München I im letztgenannten Fall, ansonsten verurteilte es den Veranstalter zur Auskunftserteilung. Das LG Düsseldorf ging einen anderen Weg und gab der Klage auf Erstattung der Versicherungsleistung statt. Einzig diese Entscheidung hatte in der Revision Bestand.

Beweislast beim Veranstalter

Der X. Zivilsenat nutzte die Gelegenheit, in drei Leitsatzentscheidungen Grundlagen zur Berechnung der Entschädigung des Reiseveranstalters klarzustellen: Der vom LG München I gewählte Weg, das Reiseunternehmen zur Rechnungslegung zu verurteilen, damit daraus die Höhe der Klageforderung berechnet werden könne, beruhe auf einem falschen systematischen Verständnis der gesetzlichen Regelung. Werde der Vertrag vor Antritt der Reise gekündigt, gehe der Anspruch auf den Preis verloren. Der Anspruch des Veranstalters, eine "angemessene Entschädigung" nach § 651i Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB a.F. (beziehungsweise § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB n.F.) zu erhalten, stellt nach Ansicht der Karlsruher Richter ein Gegenrecht des Unternehmens dar. Dieses müsse sich darauf berufen und die Voraussetzungen beweisen. Dies sei nicht Aufgabe des Reisenden. Konsequenterweise habe er – auch nach der Neuregelung – keinen Anspruch auf Rechnungslegung, da er diese Angaben nicht benötige. Der BGH bestätigte vor diesem Hintergrund die Ansicht des LG Düsseldorf, dass das Reiseunternehmen durch das Beharren auf seine nicht näher begründete Pauschalentschädigung beweisfällig geblieben war. Der Übergang der Forderung nach § 86 VVG auf den Versicherer sei bereits im letzten Jahr vom IV. Zivilsenat geklärt worden (NJW 2021, 2118).

BGH, Urteil vom 18.01.2022 - X ZR 88/20

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 18. März 2022.