Reiserücktritt wegen außergewöhnlicher Umstände
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Ein Reiseveranstalter kann seinen Anspruch auf eine Entschädigung bereits dann verlieren, wenn vor Antritt der Fahrt außergewöhnliche Umstände vorliegen, die prognostisch eine erhebliche Gefahr für ihre Durchführung oder für die Anreise darstellen könnten. Der Bundesgerichtshof hat zugunsten einer Touristin entschieden, deren Hinflug in den Urlaub im März 2020 über den damals gesperrten Flughafen Mailand hätte führen sollen.

Wellness mit Zwischenstopp

Eine Pauschaltouristin forderte den restlichen Reisepreis für eine ins Wasser gefallene Reise zurück. Ursprünglich hatte sie im Sommer 2019 für etwas mehr als 2.500 Euro eine Bustour mit Hotelübernachtungen auf Sizilien gebucht. Angekündigt war, dass der Flug gegebenenfalls mit Umstieg erfolgen würde. Am 18.02.2020 erfuhr sie, dass die für den 11.03.2020 geplante Anreise mit einem Zwischenstopp in Mailand erfolgen sollte. Zu dieser Zeit gab es aufgrund der beginnenden Pandemie erste Warnungen vor Reisen nach Norditalien. Das Robert-Koch-Institut erklärte Mailand zum Risikogebiet. Aufgrund des geplanten Aufenthalts in der lombardischen Hauptstadt trat die Frau am 08.03.2020 von der Reise zurück. Wenige Stunden danach sagte auch die Veranstalterin die Tour ab. Später stellte sich heraus, dass die Fluggesellschaft wegen einer Schließung des Mailänder Flughafens die Verbindungen bereits gestrichen hatte. Das Reiseunternehmen zahlte 10% des Preises freiwillig zurück. Die auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nach § 651h BGB gestützte Klage der Frau auf Rückzahlung der restlichen Reisekosten hatte vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main Erfolg. Das dortige Landgericht bestätigte dies, und auch der BGH entschied jetzt zugunsten der Touristin.

Nicht zumutbare Beeinträchtigung

Der X. Zivilsenat ging dabei davon aus, dass die Frau wirksam zurückgetreten war. Dadurch habe die Veranstalterin nach § 651h Abs. 1 Satz 2 BGB den Anspruch auf den Reisepreis verloren. Aufgrund der besonderen Umstände stehe ihr auch keine Entschädigung nach § 651h Abs. 3 BGB zu. In diesem Zeitraum habe ein nicht beherrschbares Gesundheitsrisiko durch die Pandemie bestanden. Das Landgericht hat aus Sicht der Karlsruher Richter zutreffend erkannt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651 h Abs. 3 BGB keine Unmöglichkeit der Reise oder eine sichere Gesundheitsgefahr voraussetzt. Vielmehr reiche es aus, wenn nach einer Prognose unzumutbare Risiken im Hinblick auf die Fahrt bestünden. Der X. Zivilsenat war überzeugt, dass eine solche Lage bereits vor dem Rücktritt der Touristin mit hinreichender Sicherheit bestand: So sei der Flug annulliert worden, und das Unternehmen habe nicht vorgetragen, wie die Beförderung nach Sizilien habe erfolgen sollen. Auf die vom Landgericht erörterte Frage, ob die nachträgliche Absage durch die Veranstalterin rückwirkend zugunsten der Touristin berücksichtigt werden könne, komme es danach nicht an. Damit sei die Vorlage des Senats vom 02.08.2022 zum Europäischen Gerichtshof (BeckRS 2022, 21810) hier nicht relevant.

BGH, Urteil vom 13.10.2022 - X ZR 1/22

Redaktion beck-aktuell, 5. Dezember 2022.