Reich­wei­te eines rechts­kräf­ti­gen Ur­teils

Wird einer In­ves­to­rin rechts­kräf­tig im Grund­ur­teil ein Amts­haf­tungs­an­spruch zu­ge­spro­chen, kann das Ge­richt im Be­zif­fe­rungs­ver­fah­ren nicht eine Scha­dens­min­de­rungs­pflicht der Klä­ge­rin an­neh­men, die den An­spruch auf Null zu­rück­schraubt. Die Rechts­kraft des po­si­ti­ven Fest­stel­lungs­an­spruchs er­laubt laut Bun­des­ge­richts­hof nur Ein­wen­dun­gen, die nach der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung des Grund­ur­teils ent­stan­den sind.

Alten- und Pfle­ge­heim­bau ver­hin­dert

Eine In­ves­to­rin woll­te ein Al­ten­heim bauen und be­an­trag­te 2002 eine Bau­ge­neh­mi­gung, die ihr die Stadt un­recht­mä­ßig ver­sag­te. Nach­dem sie fünf Jahre lang am Ende er­folg­reich um die Ge­neh­mi­gung ge­richt­lich ge­kämpft hatte, muss­te sie fest­stel­len, dass die Stadt sich nicht an das Ur­teil hielt und dann auch noch einer Kon­kur­ren­tin ein Vor­ha­ben ge­neh­mig­te, das den Be­darf für ein wei­te­res Heim ent­fal­len ließ. 2015 ver­kauf­te sie das Grund­stück mit Ver­lust. Im Amts­haf­tungs­pro­zess sprach ihr das Ober­lan­des­ge­richt Celle 2009 zu­nächst per Grund­ur­teil rechts­kräf­tig einen Scha­dens­er­satz­an­spruch aus Amts­haf­tung zu. In dem an­schlie­ßen­den Be­trags­ver­fah­ren be­zif­fer­te es den ent­gan­ge­nen Ge­winn bis 2010 auf rund 114.000 Euro. Die dar­über hin­aus­ge­hen­de For­de­rung der Klä­ge­rin auf Aus­gleich der Dif­fe­renz zwi­schen dem 2006 bi­lan­zier­ten Ver­kehrs­wert und dem nie­de­ren Ver­kaufs­wert des Grund­stücks wies es zu­rück, weil die In­ves­to­rin ihrer Scha­dens­min­de­rungs­pflicht nicht nach­ge­kom­men sei. Da­ge­gen wehr­te sich die In­ves­to­rin vor dem Bun­des­ge­richts­hof - mit Er­folg.

Reich­wei­te der Rechts­kraft

Das Grund­ur­teil ist hin­sicht­lich der Scha­dens­er­satz­pflicht ein po­si­ti­ves Fest­stel­lungs­ur­teil: Der An­spruch ist dem III. Zi­vil­se­nat zu­fol­ge rechts­kräf­tig ge­ge­ben. Ein­wen­dun­gen, wie die Scha­dens­min­de­rungs­pflicht der Klä­ge­rin, die sich auf Tat­sa­chen stüt­zen, die schon zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung 2009 vor­ge­le­gen haben, dürf­ten nicht mehr be­rück­sich­tigt wer­den. Wenn also das Ober­lan­des­ge­richt be­män­gelt habe, dass die Klä­ge­rin bis zum Ende des Ver­wal­tungs­pro­zes­ses un­tä­tig war und an­schlie­ßend das Ver­pflich­tungs­ur­teil nicht wei­ter ge­richt­lich durch­ge­setzt habe, seien das Ein­wen­dun­gen, die be­reits in das Teil­ur­teil ein­ge­flos­sen sind. Für die Be­wer­tung des An­spruchs ab 2011 kön­nen diese Tat­sa­chen kei­nen Ein­gang mehr fin­den, so der BGH.

Un­tä­tig­keit nach Grund­ur­teil

Das Ober­lan­des­ge­richt habe wei­ter im Wi­der­spruch zu sei­nem ei­ge­nen Ur­teil 2009 an­ge­nom­men, dass ein Bau mit we­ni­ger Plät­zen noch ren­ta­bel ge­we­sen wäre. Dabei habe es sich auf Be­darfs­zah­len aus dem Jahr 2008 ge­stützt. Selbst bei einer un­ver­än­der­ten Be­darfs­la­ge über 2009 hin­aus führt, so die Karls­ru­her Rich­ter, die Un­tä­tig­keit al­lein durch blo­ßen Zeit­ab­lauf nicht zu einer Ver­let­zung der Scha­dens­min­de­rungs­pflicht. Viel­mehr sei ein Ob­lie­gen­heits­ver­stoß nur dann an­zu­neh­men, wenn sich die Markt­la­ge nach dem Grund­ur­teil nach­hal­tig zu­guns­ten der Klä­ge­rin ver­än­dert hätte. Das aber sei nicht ge­ge­ben, da nach der In­be­trieb­nah­me des Heims der Kon­kur­ren­tin der Be­darf zu­rück­ge­gan­gen sein dürf­te. 

Scha­dens­min­de­rungs­pflicht be­dingt kein Ri­si­ko­ge­schäft

Der An­spruchs­in­ha­ber muss laut BGH nicht jede ob­jek­tiv mög­li­che Maß­nah­me er­grei­fen, son­dern nur zu­mut­ba­re und wirt­schaft­lich ver­nünf­ti­ge, für die ihr auch die er­for­der­li­chen Mit­tel zur Ver­fü­gung ste­hen. Ein mit spe­ku­la­ti­ven Ri­si­ken be­haf­te­tes Ge­schäft müsse sie nicht ein­ge­hen. Die Be­weis­last hier­für trage die be­klag­te Stadt, nicht die In­ves­to­rin. Der Bun­des­ge­richts­hof hob das Ur­teil auf und ver­wies es an das Ober­lan­des­ge­richt zu­rück.

BGH, Urteil vom 17.12.2020 - III ZR 45/19

Redaktion beck-aktuell, 19. Januar 2021.

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