Reichsbürger-Razzia: Beschuldigte bleiben in U-Haft

Nach der Reichsbürger-Großrazzia im Dezember 2022 bleiben 22 Beschuldigte weiter in Untersuchungshaft. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. Bei allen Beschuldigten sei der Haftgrund der Fluchtgefahr gegeben, zum Teil auch derjenige der Schwerkriminalität. Der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit des Verfahrens rechtfertigten die Haftfortdauer. Die Gruppe soll einen Staatsumsturz mit militärischen Mitteln beabsichtigt haben.

Der 3. Strafsenat hält es für hochwahrscheinlich, dass die der Reichsbürger- und QAnon-Bewegung zugehörige Gruppe einen Staatsumsturz mit militärischen Mitteln beabsichtigte. Sie hatte verwaltungsähnliche Strukturen mit einem "Rat" als zentralem Gremium und einem militärischen Arm geschaffen. Sie erwartete an einem unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten "Tag X" einen Angriff auf die oberste Ebene der staatlichen Führung der Bundesrepublik Deutschland durch die "Allianz", einen Geheimbund bestehend aus Angehörigen ausländischer Regierungen, Streitkräften und Geheimdiensten.

Außerdem plante der engste Führungszirkel der Vereinigung das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten Gruppe von bis 16 Personen, insbesondere aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr oder anderer militärischer oder polizeilicher Spezialeinheiten, in das Reichstagsgebäude. Er beabsichtigte, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder und deren Mitarbeiter verhaften und abzuführen zu lassen.

Dringender Verdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an terroristischer Vereinigung

Der 3. Strafsenat hat bei 20 Beschuldigten, darunter auch einem, dem im Haftbefehl lediglich die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen worden war, den dringenden Verdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sowie der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83 Abs. 1 StGB) bejaht.

Nach der maßgeblichen Verdachtslage habe es sich bei der Gruppierung um die Beschuldigten hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 Abs. 2, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB gehandelt. Denn sie habe aus mehr als zwei Personen bestanden, sei auf längere Dauer angelegt gewesen, habe eine organisatorische Struktur gehabt und mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie der Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse verfolgt.

Dieses Ziel hätten die Mitglieder der Vereinigung nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen hochwahrscheinlich durch die Begehung von Katalogtaten im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB erreichen wollen. Die Beschuldigten hätten gewusst und sich um des von ihnen verfolgten Zieles willen damit abgefunden, dass es sowohl bei der vermeintlichen Unterstützung eines Angriffs durch die "Allianz" am "Tag X" als auch bei der gewaltsamen Erstürmung des Reichstagsgebäudes zu vorsätzlichen Tötungen von Repräsentanten des Staates und Amtsträgern gemäß §§ 211, 212 StGB kommen werde.

Die 20 Beschuldigten hätten sich nach dem aus dem Aktenmaterial ersichtlichen Erkenntnisstand mit hoher Wahrscheinlichkeit einvernehmlich in die terroristische Vereinigung eingegliedert und mit ihrem Wirken im Rat beziehungsweise für den militärischen Arm unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Organisation beigetragen. Zwei Beschuldigte seien überdies Rädelsführer der Gruppierung gewesen. Ihnen sei nach den internen Absprachen, den Plänen der Vereinigungsmitglieder und auch rein tatsächlich im Hinblick auf Art, Umfang und Gewicht ihrer Mitwirkung eine Führungsrolle zugekommen.

Dringender Verdacht der Vorbereitung hochverräterischen Unternehmens

Laut BGH sind die vorgenannten 20 Beschuldigten auch der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens nach § 83 Abs. 1 StGB dringend verdächtig. Ihre Aktivitäten hätten hochwahrscheinlich darauf abgezielt, die grundgesetzliche Ordnung gewaltsam zu ändern und damit einen Verfassungshochverrat zu begehen. Die Handlungen der Beschuldigten, von denen im Sinne eines dringenden Tatverdachts auszugehen sei, hätten zwar bei objektiver Betrachtung auf einem jedenfalls teilweise nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren gedanklichen Fundament beruht.

Sie hätten jedoch gleichwohl den zur Tatbestandserfüllung erforderlichen spezifischen Gefährlichkeitsgrad aufgewiesen. Zum Zeitpunkt der Zerschlagung der Vereinigung im Dezember 2022 seien bereits nicht unerhebliche Finanzmittel zusammengetragen, Satellitentelefone, Munition und weitere Militärausrüstung beschafft, Schießübungen durchgeführt und mehrere Heimatschutzkompanien aufgebaut worden. Zudem hätten einige Mitglieder bereits über eigene Waffen nebst Munition verfügt. Daneben sei die bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes nicht nur geplant gewesen, sondern einige Mitglieder der Vereinigung hätten schon konkrete Vorbereitungshandlungen vorgenommen.

Bei zwei Beschuldigten sei der dringende Tatverdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gegeben (§ 129a Abs. 5 Satz 1 StGB), da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit vorsätzlich die Beteiligungshandlungen einzelner Mitglieder der terroristischen Vereinigung sowohl physisch als auch psychisch gefördert hätten.

Bei allen Beschuldigten sei der Haftgrund der Fluchtgefahr gegeben, in den Fällen der mitgliedschaftlichen Beteiligung auch derjenige der Schwerkriminalität. Der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit des Verfahrens hätten ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigten die Haftfortdauer, die auch verhältnismäßig sei (Beschlüsse vom 11., 12. und 13.07.2023, Az.: AK 21-28/23 und AK 34-47/23).

BGH - AK 21-28/23; AK 34-47/23

Redaktion beck-aktuell, 19. Juli 2023.