Rechtswidrige Überstellungshaft bei Anhörung ohne Rechtsanwalt

Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft. Der Bundesgerichtshof hat erneut entschieden, dass dadurch der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt wird. Ein Verzicht des Betroffenen auf seinen Anwalt setze eine ausreichende Belehrung über die Folgen voraus.

Verzicht auf den Rechtsbeistand?

Ein Mann aus Marokko war in Überstellungshaft genommen worden. Er beantragte die Feststellung, dass die Haft rechtswidrig gewesen sei. Das Amtsgericht Krefeld hatte im Wege der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 28.04.2021 angeordnet. Der Anhörungstermin sollte am 28.04.2021 um 9.00 Uhr stattfinden. Wegen eines anderweitigen Termins beantragte der Bevollmächtigte die Verlegung auf 8.00 Uhr. Das AG lehnte ab. Im Termin erklärte der Flüchtling, "ohne den Anwalt weiter verhandeln" zu wollen. Das Gericht gab dem Antrag der Behörde statt, die Überstellung nach Frankreich erfolgte am 01.07.2021. Das Landgericht Krefeld wies seine Beschwerde zurück. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens liege jedenfalls nicht vor, so die Begründung. Das AG habe nachvollziehbar dargelegt, dass der beantragten Vorverlegung aus organisatorischen Gründen bei der Bundespolizei nicht habe entsprochen werden können. Es habe ferner schlüssig begründet, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht gezogen worden sei, hätte der Betroffene die Anwesenheit des Anwalts gewünscht. Die Rechtsbeschwerde war erfolgreich.

Grundsatz fairen Verfahrens verletzt

Jeder Betroffene habe das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, so der BGH. Vereitele das Gericht die Teilnahme des Anwalts an der Anhörung, sei die angeordnete Haft in jedem Fall rechtswidrig. Dem XIII. Zivilsenat zufolge kommt es dabei nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht. Das AG hätte die Haft nicht (erneut) endgültig, sondern nur im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig (§ 427 FamFG) anordnen dürfen, um einen weiteren Anhörungstermin im Beisein des Verfahrensbevollmächtigten zu ermöglichen. Darauf habe der Jurist, der auf seine Anwesenheit bei der Anhörung nicht verzichtet habe, einen Tag vor dem Termin auch hingewiesen. Zudem habe sein Mandant nicht auf den Beistand seines Anwalts bei der Anhörung verzichtet. Zwar sei ihm die Verfahrenssituation erklärt worden. Daraus ergebe sich aber nicht, dass dem Rechtsunkundigen die Folgen eines Verzichts ausreichend verdeutlicht wurden.

BGH, Beschluss vom 25.04.2022 - XIII ZB 38/21

Redaktion beck-aktuell, 17. August 2022.