Rechtswidrige Abschiebungshaft bei Defiziten im Haftantrag

Fehlt es in einem Abschiebungsverfahren bereits an einem zulässigen Haftantrag, darf die von einer Ausländerbehörde beantragte Sicherungshaft nicht vom Gericht angeordnet werden. Laut Bundesgerichtshof muss das Amt ausreichende Angaben zur Dauer der Sicherungshaft darlegen. Denn der Freiheitsentzug sei auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken.

Türke hält sich jahrelang illegal in Deutschland auf

Ein türkischer Staatsangehöriger mit türkischem Pass wollte festgestellt haben, dass die vom AG Solingen gegen ihn angeordnete Abschiebungshaft rechtswidrig gewesen war. Er wurde in Deutschland geboren und zog als Zwölfjähriger mit seinen Eltern in die Türkei. Für ein Studium kehrte er 1996 wieder in sein Geburtsland zurück. Die Ausländerbehörde lehnte 2007 seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Nachdem er auf dem Rechtsweg gescheitert war, wurde ihm die Abschiebung angedroht. Im November 2012 tauchte er unter. Am 07.02.2020 wurde er bei einer Verkehrskontrolle von der Polizei festgenommen. Er gab den Beamten gegenüber an, er habe keinen festen Wohnsitz und nächtige immer an verschiedenen Stellen.

Das AG Solingen ordnete im Februar 2020 die Sicherungshaft bis zum 12.05.2020 an. Für ihn wurde ein Passersatz beantragt. Einen Monat später wurde der Mann jedoch aus der Haft entlassen, da laut der Zentralstelle für Flugabschiebungen Rückführungen per Flugzeug derzeit nicht möglich seien. Die Beschwerde scheiterte beim LG Wuppertal, da der Haftanordnung ein zulässiger Haftantrag zugrunde liege. Die vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen ergebe sich aus der Ordnungsverfügung der Ausländerbehörde vom 14.11.2011, die nach Rücknahme der verwaltungsgerichtlichen Klage bestandskräftig sei. Die Rechtsbeschwerde beim BGH hatte Erfolg.

Darlegungspflicht der Ausländerbehörde ist entscheidend

Dem XIII. Zivilsenat zufolge ist die Haftanordnung des AG schon deshalb rechtswidrig, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte. Aus seiner Sicht hätte die beantragte Sicherungshaft gar nicht erst angeordnet werden dürfen. Die obersten Zivilrichter monierten, dass die Ausländerbehörde keine ausreichenden Angaben zur erforderlichen Dauer der Haft gemacht habe. Das Amt habe zwar unter Hinweis auf die Fallsammlungen der Clearingstellen ausgeführt, die Passersatzbeschaffung sei innerhalb von zwei Monaten möglich. Angaben dazu, was konkret für den Türken gelte, fehlten dagegen. Der BGH betonte, dass sie auch nicht entbehrlich seien. Es verstehe sich nicht von selbst, dass auch hier mit einer Dauer von zwei Monaten zu rechnen sei. Denn der Betroffene verfüge über einen türkischen Personalausweis, der unabhängig davon, ob er noch gültig oder schon abgelaufen sei, nach dem Abkommen mit der Türkei zum Nachweis der Staatsangehörigkeit ausreiche.

BGH, Beschluss vom 31.08.2021 - XIII ZB 35/20

Redaktion beck-aktuell, 28. Oktober 2021.