Rechtsweg für Regress eines Unfallversicherers

Der Rechtsweg für den Regress eines Unfallversicherers gegen einen Durchgangsarzt richtet sich nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis. Laut Bundesgerichtshof sind hier grundsätzlich die Sozialgerichte zuständig, da Grundlage ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist. Erleide der Versicherer aber einen Haftungsschaden, indem er beispielsweise dem Arbeitgeber Entgeltfortzahlungen erstatte, so falle dies in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

Grober Befunderhebungsfehler?

Eine gesetzliche Unfallversicherung stritt mit einem für sie tätigen Durchgangsarzt sowie dessen Kollegen über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten. Die Assekuranz und der Mediziner hatten einen Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger nach § 34 Abs. 3 SGB VII geschlossen. Im Februar 2016 erlitt ihr Versicherter einen Arbeitsunfall, bei dem er sich das rechte Schienbein verletzte. Die Schnittwunde wurde zunächst durch den Mitarbeiter erstversorgt. Der Durchgangsarzt reinigte und nähte sie. Der Versicherer monierte, unter anderem eine knöcherne Verletzung im Wundbereich sei nicht erkannt worden. Antibiotika seien nicht verordnet worden. Zwei Tage nach der Erstbehandlung habe ein anderer Arzt eine bakterielle Entzündung am gesamten Unterschenkel festgestellt, die operativ entfernt werden musste. Der Versicherte sei über vier Monate arbeitsunfähig gewesen. Dadurch seien der Klägerin Mehraufwendungen von 17.680 Euro entstanden. Mit dem Versicherten habe sie einen Vergleich über 8.500 Euro geschlossen. Diesen Betrag schuldeten ihr die Beklagten im Wege des Regresses.

OLG verweist den Rechtsstreit komplett ans Sozialgericht

Das LG Münster trennte die auf die behaupteten Mehraufwendungen bezogenen Ansprüche nach § 145 Abs. 1 ZPO ab. Daraufhin erklärte es den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG insoweit für unzulässig und verwies den abgetrennten Teil des Rechtsstreits ans SG Münster. Das OLG Hamm verwies die Sache schließlich komplett dorthin. Hinsichtlich der Mehraufwendungen liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG vor, über die die Sozialgerichte zu entscheiden hätten. Das gelte auch im Falle eines Sachzusammenhangs mit einem vor den Zivilgerichten geltend zu machenden Amtshaftungsanspruch. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin beim BGH hatte teilweise Erfolg.

Erstattung von Entgeltfortzahlungen ist klärungsbedürftig

Der VI. Zivilsenat verwies die Sache ans OLG zurück. Die Verweisung des Rechtsstreits auf den Sozialrechtsweg sei falsch, soweit sie den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz für die Erstattung von Entgeltfortzahlungen in Höhe von 1.460 Euro betreffe. Die Klägerin habe sich zwar insoweit nicht ausdrücklich auf den Eintritt eines mittelbaren Schadens aufgrund der Erfüllung eines Amtshaftungsanspruchs berufen. Die Erstattung von Entgeltfortzahlungen an den Arbeitgeber nach § 6 Abs. 1 EFZG würde jedoch beim Erstattenden eindeutig einen Haftungsschaden darstellen. In diesem Fall bedürfte es eines ausdrücklichen Sich-Berufens auf einen Haftungsschaden nicht, um den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nach Art. 34 Satz 3 GG zu eröffnen. Ob es sich vorliegend um eine Erstattung von Entgeltfortzahlungen handelt, muss das OLG nunmehr klären. Die Gefahr, dass damit unterschiedliche Entscheidungen zu einem Unfall ergehen könnten, müsse aufgrund der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung hingenommen.

BGH, Beschluss vom 09.01.2023 - VI ZB 80/20

Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2023.