Eine GmbH mit zwei Gesellschafterinnen, die in der Projektentwicklung im Immobilienbereich tätig war, erwarb 2015 ein mit einem Wohnhaus und einem Geschäftshaus bebautes Grundstück am Ku‘damm in Berlin mit einem Verkehrswert von etwa 16 Millionen Euro. Dieses Grundstück stellte im Wesentlichen den einzigen Vermögenswert der GmbH dar. Drei Jahre später stimmte die Mehrheitsgesellschafterin in einer Gesellschafterversammlung gegen die Minderheitsgesellschafterin für die Abberufung des Geschäftsführers. Die Wirksamkeit dieses Beschlusses wurde sowohl vom Abberufenen als auch von den Unterlegenen bezweifelt.
Zwei Tage nach dieser Versammlung verkaufte die GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, das Grundstück für 12,2 Millionen Euro an einen Dritten. Der Käufer behauptete, der Notar habe das Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses über den Verkauf für unschädlich gehalten. Er erklärte weiter, dass er zwar wusste, dass der Geschäftsführer abberufen worden war, er aber auch die Zweifel zur Wirksamkeit der Abberufung kannte. Die GmbH verlangte von dem Käufer die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung – vergeblich. Sowohl das LG Berlin als auch das Kammergericht wiesen die Klage ab. Vor dem BGH verfolgte die GmbH ihre Forderung weiter – vorerst mit Erfolg.
Nach Ansicht des BGH (Urteil vom 09.01.2024 – II ZR 220/22) war der Geschäftsführer tatsächlich nicht mehr befugt, den Verkauf des Grundstücks durchzuführen, weil seine Bestellung als Geschäftsführer auf der Gesellschafterversammlung wirksam nach § 38 Abs. 1 GmbHG widerrufen worden war.
Rechtsschein durch Handelsregistereintragung
Die GmbH muss sich zwar dem II. Zivilsenat zufolge grundsätzlich anrechnen lassen, dass der Geschäftsführer zum Beurkundungsdatum laut Handelsregister noch immer befugt war, den Verkauf durchzuführen, weil seine Abberufung dort noch nicht eingetragen war. Der Rechtsverkehr werde durch § 15 Abs. 1 HGB bis zur Eintragung des Widerrufs geschützt.
Etwas anderes gelte nur dann, so der BGH, wenn der Käufer positive Kenntnis von der wirksamen Abberufung gehabt hätte. Hierbei hält es der II. Zivilsenat für wesentlich, zwischen der Kenntnis von dem Beschluss und der Kenntnis von der wirksamen Abberufung zu unterscheiden: Da der Geschäftsführer wusste, dass Zweifel an dem Widerrufsbeschluss bestanden, die unter Umständen eine Beschlussmängelklage nach sich ziehen konnten, könne dem Käufer keine positive Kenntnis unterstellt werden. Auch die Berücksichtigung von § 47 Abs. 1 GmbHG, wonach die Abberufung eines Geschäftsführers nur einer einfachen Mehrheit bedarf, vermochte die Bundesrichterinnen und -richter nicht zu überzeugen, denn schließlich sei eine GmbH frei, ein höheres Quorum für diese Frage in ihrer Satzung zu vereinbaren. Und der Käufer habe auch nicht weiter nachforschen müssen, betonte der II. Zivilsenat.
Allerdings bezweifelt der BGH die Annahme des KG, dass sich kein Missbrauch der Vertretungsmacht feststellen lasse. Immerhin setze der Verkauf des wesentlichen Vermögenswerts der GmbH nach § 49 Abs. 2 GmbHG einen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter voraus, den es nicht gegeben habe. Dem Käufer müsse sich in diesen Fällen – ohne gegenteiligen rechtlichen Rat – geradezu aufdrängen, dass der Geschäftsführer hier ohne Vertretungsmacht handele, wenn er keinen Gesellschafterbeschluss hierzu vorlege. Seine Berufung auf die Auskunft des Notars, das Fehlen sei unschädlich, sei im Prozess – zumindest bislang – nicht nachgewiesen worden. Das KG habe sich mit diesem Punkt nicht ausreichend auseinandersetzt, weswegen die Sache zurückverwiesen wurde.