Ein Unternehmen verdächtigte eine Konkurrentin und deren Geschäftsführer, Geschäftsgeheimnisse verletzt zu haben. Der Geschäftsführer habe Konstruktionsunterlagen mitgenommen und für die Konkurrentin, die jetzige Antragsgegnerin, eingesetzt, so der Vorwurf. Der Geschäftsführer der Konkurrentin war nämlich zuvor als Mitarbeiter bei dem nun klagenden Unternehmen tätig gewesen. Dieses beantragte deshalb ein selbständiges Beweisverfahren im Rahmen eines "Düsseldorfer Verfahrens". Das Gericht verfügte die Einholung eines schriftlichen Gutachtens und verpflichtete das Unternehmen zur Verschwiegenheit. Ihre Unterlagen stufte es als geheimhaltungsbedürftig ein.
Nachdem das Gutachten fertig war, wollten die Anwälte des antragstellenden Unternehmens einen Abdruck. Dem traten beide Antragsgegner, also das Konkurrenzunternehmen und sein Geschäftsführer, entgegen und pochten auf dessen Einstufung als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 GeschGehG. Das LG Augsburg gab ihnen Recht. Die Antragstellerin forderte das LG auf, die Geheimhaltungsanordnungen aufzuheben und ihren Anwälten das Gutachten herauszugeben. Das LG gestattete den Juristen daraufhin, ihrer Mandantin nur eine geschwärzte Fassung ohne Anlagen auszuhändigen. Der sofortigen Beschwerde des Unternehmens half es nicht ab. Das OLG München schließlich erweiterte auf die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde die Herausgabe des Gutachtens auch auf dessen Anlagen. Streitig war aber vor allem, ob diese Rechtsmittel überhaupt so möglich waren.
Der BGH stellt im Zuge der Statthaftigkeitsprüfung fest, dass die Parteien den Beschluss des LG zur Geheimhaltung trotz § 20 Abs. 5 S. 4 GeschGehG mit der sofortigen Beschwerde anfechten konnten. Die Vorschrift regelt nämlich, dass die Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig und die Anordnung von Zugangsbeschränkungen durch das Gericht nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden können.
Zwar fallen unter die Geschäftsgeheimnisstreitsachen im Sinne von § 16 Abs. 1 GeschGehG laut dem Senat auch selbständige Beweisverfahren. Die Vorschrift des § 20 Abs. 5 S. 4 GeschGehG aber gelte im selbständigen Beweisverfahren nicht. Ein Klageverfahren, das sich vielleicht an das selbständige Beweisverfahren anschließen würde, könne nicht als Hauptsache im Sinne der Norm angesehen werden (BGH, Beschluss vom 09.11.2023 – I ZB 32/23). Einen Antrag auf selbständige Beweiserhebung könne man zwar beim für die Hauptsache zuständigen Gericht stellen, müsse es aber nicht. Vielmehr sollten Klageverfahren durch die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens möglichst vermieden werden.