Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts

Ein Versicherungsnehmer kann sich nicht noch nach Jahren auf ein Widerspruchsrecht berufen, wenn er damit eine bloß formal bestehende Rechtsposition ohne schutzwürdiges Eigeninteresse ausnutzen will. Dies ist laut Bundesgerichtshof der Fall, wenn der mögliche Fehler in den Vertragsunteranlagen weder für den Vertragsschluss entscheidend gewesen sein konnte, noch einen Nachteil für den Interessenten dargestellt hätte.

Versicherungsnehmer will Rentenversicherung rückabwickeln

Ein Versicherter verlangte von seinem privaten Rentenversicherer die Rückabwicklung des Vertrags und die Herausgabe von Nutzungen. Er hatte diesen Ende 2004 abgeschlossen. Laut der Verbraucherinformation, einer Anlage des Versicherungsscheins, gab es keinen Sicherungsfonds für den Fall der Insolvenz. Eine hierfür gegründete AG werde notleidende Verträge übernehmen. Seite zwei der Police enthielt eine fettgedruckte Belehrung: "Sie können dem Versicherungsvertrag innerhalb von 30 Tagen ab Zugang des Versicherungsscheins einschließlich Anlagen schriftlich widersprechen.“

Im September 2017 erklärte der Inhaber den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrags. Die Versicherung lehnte ab und zahlte den Rückkaufswert aus. Der Kläger meint, die Widerspruchsfrist sei nicht in Gang gesetzt worden, da die Widerspruchsbelehrung nicht ordnungsgemäß und die Verbraucherinformation hinsichtlich der Angabe zum Nichtbestehen eines Sicherungsfonds falsch sei. Das AG Köln wies die Klage ab. Die Berufung scheiterte auch vor dem dortigen LG: Die Widerspruchsbelehrung mache hinreichend deutlich, welche Unterlagen vorliegen müssten, damit die Widerspruchsfrist beginne.

BGH: Ausübung des Widerspruchsrechts war rechtsmissbräuchlich

Der BGH stimmte dem am 10.02.2021 zu. Ihm zufolge konnte der Versicherte den Widerspruch nicht noch im Jahr 2017 wirksam erklären. Aus Sicht der Karlsruher Richter war die Ausübung des Widerspruchsrechts rechtsmissbräuchlich nach § 242 BGB, da er hiermit kein schützenswertes Eigeninteresse verfolge, sondern sich vielmehr nur auf eine formale Rechtsposition berufe. Die vollständige und zutreffende Information über die Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds hätte nach Ansicht des IV. Zivilsenats keinen Interessenten vom Vertragsschluss abgehalten – im Vergleich mit der unvollständigen bzw. unzutreffenden Information sei er "begünstigt".

BGH, Urteil vom 10.02.2021 - IV ZR 32/20

Redaktion beck-aktuell, 25. Februar 2021.