Rechtliches Interesse bei negativer Feststellungsklage

Es ist für die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage nicht zusätzlich erforderlich, dass der Streit zwischen den Parteien insgesamt durch die Entscheidung beendet werden kann. Es genügt für das Feststellungsinteresse, wenn einem subjektiven Recht eine gegenwärtige Gefahr oder Ungewissheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Eine solche Gefahr liegt bei einer negativen Feststellungsklage laut Bundesgerichtshof jedenfalls dann vor, wenn das Bestehen einer Forderung behauptet wird.

Auftraggeberin wehrt sich gegen Zinsforderungen

Eine Auftraggeberin verlangte das Nichtbestehen von Zinsforderungen von über 10 Millionen Euro festzustellen, die ein Bauunternehmen aus einer Zinsrechnung geltend gemacht hatte. Sie hatte die Firma mit der Erstellung eines Autobahnabschnitts der A 44 beauftragt. Im Zuge der Bauausführung kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über Forderungen, die die Gesellschaft in ihre Abschlagsrechnungen eingestellt hatte. Nachdem die Abschlagsrechnungen nicht vollständig beglichen wurden, berechneten die Straßenbauer hierfür Zinsen. Zugleich lehnten sie es vorprozessual ab, eine Verzichtserklärung abzugeben. In einem parallelen Verfahren wurde eine Zinsforderung von 300.000 Euro aktiv geltend gemacht. 

Streit um Zulässigkeit negativer Feststellungsklage

Sowohl das LG Wiesbaden als auch das OLG Frankfurt am Main wiesen die negative Feststellungsklage als unzulässig ab, da es an einem berechtigten Interesse an einer alsbaldigen Feststellung fehle. Aus der Berechtigung der Firma, ihre Zinsforderungen gesondert einzuklagen, sei nicht umkehrend auf die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage zu schließen. Die Revision beim BGH hatte Erfolg.

Zinsforderungen als eigene Rechtsverhältnisse

Aus Sicht des BGH ist das Vorliegen eines Feststellungsinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO für eine negative Feststellungsklage nicht zusätzlich davon abhängig, dass eine stattgebende Entscheidung den Streit der Parteien insgesamt beendet. Maßgeblicher Bezugspunkt sei das Rechtsverhältnis, das Gegenstand des Feststellungsbegehrens sei. Es gehe hier nicht darum, ob die Abschlagsrechnungen in voller Höhe korrekt seien. Vielmehr sei allein eine Feststellung zum Nichtbestehen der Zinsforderung im Schreiben vom April 2017 beantragt worden. Der Umstand, dass die Entscheidung über die negative Feststellungsklage rechtlich davon abhängig sei, ob die Abschlagsforderungen berechtigt sind oder nicht, rechtfertige nicht die Annahme, dass das rechtliche Interesse nur auf eine Überprüfung der Abschlagsrechnungen gerichtet sein könne. Insoweit seien die Zinsforderungen eigene Rechtsverhältnisse, die ebenfalls Gegenstand einer negativen Feststellungsklage sein könnten. Der BGH verwies die Sache daher an das OLG zurück.

BGH, Urteil vom 22.07.2021 - VII ZR 113/20

Redaktion beck-aktuell, 14. September 2021.