Bei einem Rollerunfall im Jahr 2009 hatte ein städtischer Feuerwehrbeamter komplizierte Brüche an der rechten Hand und dem rechten Unterarm erlitten; er wurde dienstunfähig geschrieben. Seine Dienstherrin versetzte ihn drei Jahre später in den Ruhestand und verlangte nun von der Versicherung des Verursachers die bis Ende 2016 (offenbar dem Zeitpunkt seines Rentenbeginns) gezahlten Gehälter und Versorgungsbezüge in Höhe von knapp 125.000 Euro. Das LG Aachen gab der Kommune in vollem Umfang recht, das OLG Köln wollte dagegen die Assekuranz nur dazu verpflichten, die bis August 2012 von der Stadt an den Mann überwiesenen Beträge zu erstatten. Dagegen ließ es nicht einmal die Revision zu. Der Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen gab der VI. Zivilsenat in Karlsruhe nun statt.
Das OLG hatte argumentiert, seit September 2012 stehe nicht fest, dass und in welcher Höhe Ansprüche auf Erstattung eines Erwerbsschadens bestanden hätten. Denn möglicherweise habe der Geschädigte seine Pflicht zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) verletzt, indem er eine womöglich verbliebene Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise verwertet hätte. Zwar sei grundsätzlich die beklagte Versicherung dafür darlegungs- und beweispflichtig. Doch müsse der ehemalige Beamte daneben seine eigenen Bemühungen darum darlegen – etwa in seinem ersten Ausbildungsberuf als Bankkaufmann zu arbeiten. Tatsächlich hatten die Oberrichter in der Domstadt gewisse Gründe zum Zweifeln: So habe er von 2012 bis 2015 in geringem Umfang als Betreuer einer Wohngruppe bei der Caritas gearbeitet. Ohnehin habe er den linken Arm noch vollständig gebrauchen oder "bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung" einen Bürojob suchen können. Anschließend habe der frühere Feuerbekämpfer sogar (wenngleich zusammen mit seiner Frau mit einem wöchentlichen Zeitaufwand von bloß zwei Stunden) als Vermieter einer Ferienwohnung agiert, ein weiteres Gebäude erworben, in Eigenleistung restauriert und dort seither (gemeinsam mit seiner Gattin und einem Freund) an Wochenenden eine Galerie betrieben.
Nicht genug damit: Er vertreibe selbst geschossene Fotos, betätige sich als Waldführer und habe jährlich mehrtägige Jugendfreizeiten im Nationalpark Eifel durchgeführt. Das sarkastisch anmutende Fazit des Düsseldorfer Senats fasst der BGH mit den Worten zusammen: "Mit der bloßen Behauptung, infolge der behaupteten Defizite sei der Beamte ,erwerbsunfähig‘, müsse sich mit anderen Worten um die Erzielung von Arbeitseinkommen noch nicht einmal bemühen, genüge die Klägerin in Ansehung der dem Beamten tatsächlich sehr wohl möglichen (Arbeits-)Leistungen ihrer Darlegungslast nicht, so dass mangels schlüssigen Vortrags auch nicht eine Sachaufklärung zu unternehmen sei."
Sachverständiger erforderlich
Das langte den Karlsruher Bundesrichtern hinten und vorne nicht (BGH, Beschluss vom 12.03.2024 – VI ZR 283/21). Das OLG habe den Anspruch der klagenden Stadt auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. "Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag." Zudem müsse er in einem solchen Fall den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen. De Schädiger muss demnach darlegen und beweisen, dass er wegen unzureichender Anstrengungen des Opfers Schadensersatzansprüche kürzen dürfe. Nur wenn das in Frage stehe, treffe den Geschädigten in einem zweiten Schritt eine sekundäre Darlegungslast.
Doch dem Beschluss zufolge hätten die OLG-Richter aus den entgegenstehenden Attesten des Hausarztes und einer ärztlichen Psychotherapeutin aus dem Jahr 2021 nicht eigenständig die Einschätzung entnehmen können, der einstige Brandbekämpfer habe wieder arbeiten können. "Damit hat sich das Berufungsgericht medizinische Sachkunde bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten angemaßt, deren Voraussetzungen es den Parteien nicht offengelegt hat", lautet der Rüffel. Angesichts des qualifizierten Sachvortrags der Klägerin hätte es einen fachärztlich qualifizierten Sachverständigen einschalten müssen. Den hätte es dann gegebenenfalls befragen müssen. Und schließlich: Mancher Schluss des Vordergerichts sei nicht "nachvollziehbar" und Gegenargumente seien übergangen worden.