Rechtliches Gehör in Abschiebungshaftsache muss nachgeholt werden

Hat das Gericht über die Abschiebungshaft zu entscheiden, kann es nur eine vorläufige Haft anordnen, wenn der Betroffene nicht anwaltlich vertreten ist und angekündigt hat, sich noch einen Anwalt zu suchen. Danach hat eine erneute Anhörung unter Beteiligung des Vertreters zu erfolgen. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass in einem Fall der Verletzung des obigen Grundsatzes der Fehler durch eine erneute Anhörung mit dem Anwalt geheilt werden kann.

Eine Anhörung in einer Haftsache ohne Rechtsanwalt

Einem Pakistaner wurde das Asyl verwehrt und die Abschiebung angedroht. Nachdem die Abschiebung einige Male ausgesetzt wurde, tauchte er unter. Acht Monate später wurde er festgenommen. Sein Anwalt wurde von dem am gleichen Tag stattfindenden Anhörungstermin telefonisch informiert, nahm aber an dem Termin nicht teil. Dem Inhaftierten wurde ein Verfahrenspfleger beigeordnet. In der Anhörung erklärte der Pakistaner, er lehne die Vertretung durch seinen bisherigen Anwalt ab. Er werde zunächst einen Freund fragen und dann einen neuen Prozessbevollmächtigten benennen. Eine Woche später legte eine Anwältin für ihn Beschwerde ein,  beantragte die Aussetzung der Haft und verlangte Akteneinsicht sowohl in die Verwaltungsakte als auch in Anhörungsprotokoll und Haftantrag. Nach Eingang der Dokumente werde sie die Beschwerde begründen. Die Ausländerakte bekam sie nicht, sondern wurde an die Behörde verwiesen. Das Amtsgericht Meppen gab ihr eine zehntägige Begründungsfrist. Nach deren fruchtlosem Ablauf reichte es die Akte zum Landgericht Osnabrück weiter, das die Beschwerde zurückwies. Der Pakistaner erhob erfolgreich die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof.

Keine Entscheidung ohne Zuwarten auf die Beschwerdebegründung

Das Beschwerdegericht habe, so der BGH, gegen Art. 103 Abs. 1 GG - den Grundsatz des fairen Verfahrens - verstoßen, weil es die beantragte Akteneinsicht nicht gewährt und die angekündigte Beschwerdebegründung nicht abgewartet habe. Die angegriffene Entscheidung beruht dem XIII. Senat zufolge auch auf diesem Fehler, weil der Pakistaner (nach erfolgter Akteneinsicht) eingewandt hätte, dass das Amtsgericht wegen der fehlenden anwaltlichen Vertretung im Anhörungstermin nur eine vorläufige Freiheitsentziehung nach § 427 FamFG hätte anordnen dürfen, bis der Mann voraussichtlich vertreten werden würde. Und diese Beschwerde hätte Erfolg gehabt.

Keine Anhörung ohne anwaltliche Vertretung

Das Amtsgericht hätte einen neuen Termin bestimmen müssen, um dem Betroffenen die ordnungsgemäße Beteiligung an seiner Anhörung zu ermöglichen, so der BGH. Eine Vereitelung der Teilnahme seines Anwalts durch das Gericht führt laut den Karlsruher Richtern zur Rechtswidrigkeit der Haft. Die Dauer der Haft spiele dabei keine Rolle. Im Fall einer rechtmäßigen Anordnung der Haft im Hauptsacheverfahren findet keine erneute Anhörung mehr statt, dem Pakistaner wäre also der anwaltliche Beistand in diesem Fall endgültig versagt worden. Bei einer vorläufigen Anordnung hingegen sieht dem BGH zufolge § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine erneute Anhörung vor. Ein Verfahrenspfleger solle lediglich auf die Einhaltung der Verfahrensrechte des Betroffenen im Termin achten. Er könne einen Anwalt, der die Rechte des Betroffenen vollumfänglich wahrnehme, nicht ersetzen. Da dieser schwere Mangel nicht geheilt worden ist, stellte der XIII. Senat fest, dass die Beschlüsse beider Gerichte rechtswidrig waren.

BGH, Beschluss vom 22.02.2022 - XIII ZB 74/20

Redaktion beck-aktuell, 24. Mai 2022.