Auch Gewinner müssen Prozesskosten zahlen
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Wohnungseigentümer, die gegen die Gemeinschaft klagen, müssen sich auch dann an den Prozesskosten beteiligen, wenn sie gewonnen haben. Das ist eine Folge der großen WEG-Reform aus dem Jahr 2020, wie der BGH entschied. Erlaubt sind allerdings abweichende Vereinbarungen, wenn sie rechtzeitig getroffen werden.

Früher war vieles anders: So hat der V. Zivilsenat des BGH am Freitag entschieden, dass nach dem WEG in der seit dem 1.12.2020 geltenden Fassung Prozesskosten zu den gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG auf alle Wohnungseigentümer umzulegenden Verwaltungskosten gehören (Urteil vom 19.07.2024 – V ZR 139/23). Das war nach dem früheren § 16 Abs. 8 WEG noch anders, schrieb der V. Zivilsenat bereits in seiner Vorankündigung. Und wies sogar ausdrücklich darauf hin, dass dies eine "praxisrelevante Frage" sei.

Der konkrete Fall: Die drei Klägerinnen sind Mitglieder einer Gemeinschaft von Wohnungseigen­tümern; ihnen gehört jeweils eine der insgesamt acht Behausungen. In der Gemeinschaftsordnung ist geregelt, dass die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf alle Wohnungseigentumseinheiten umgelegt werden. Das Trio focht im Jahr 2021 beim AG Rostock in einem Vorprozess einen Beschluss der anderen Eigentümer an. Die Richter in der Hansestadt gaben dieser Klage statt und verurteilten die gesamte Eignerschar dazu, dessen Aus­gaben zu tragen. Daraufhin beschloss diese im folgenden Jahr, selbige durch eine für alle geltende Sonderumlage zu finan­zieren – je Einheit knapp 800 Euro. Dagegen wandten sich die streitbaren Damen in einem neuen Verfahren, hatten damit jedoch vor dem AG Rostock keinen Erfolg. Anders dann beim dortigen LG: Nach dessen Ansicht widerspricht die Erhebung der Extrazahlungen gleich doppelt ordnungsmäßiger Verwaltung. Doch dieses Berufungsurteil schafften die Karlsruher Richter und Richterinnen nun aus der Welt.

Maßgeblich ist das neue Recht

Die ordneten die Sonderumlage für die Prozessführung nämlich durchaus ordnungsmäßiger Verwaltung zu. Nach dem in der streitenden Gemeinschaft geltenden Verteilungsschlüssel seien die Kosten des Vorprozesses auch auf die siegreichen Anfechtungsklägerinnen umzulegen. "Die Gemeinschaftsordnung ist dahin auszulegen, dass mit dem dort verwendeten Begriff der Verwaltungskosten auf die entsprechende, aktuell geltende gesetzliche Regelung Bezug genommen wird", heißt es in dem Urteil. Das sei nach dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG zu beurteilen. Und da war das WEG schon geändert worden.

Beschlussklagen sind seit der WEG-Novelle nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG). "Damit sind auch Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, Verwaltungskosten der Gemeinschaft, an denen sämtliche Wohnungseigentümer unabhängig von ihrer Parteistellung im Prozess zu beteiligen sind", schreiben die Bundesrichterinnen und -richter weiter. Eine einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG "unter Wertungsgesichtspunkten" kommt demnach nicht in Betracht. Zwar sei nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kostenfolge – insbesondere in kleinen Gemeinschaften – potenzielle Beschlusskläger von einem Prozess abhalten könne. Doch fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn dass der Gesetzgeber übersehen habe, dass besagte Vorschrift wegen der nunmehrigen Parteistellung der Gemeinschaft bei Beschlussklagen auch die Kosten des erfolgreichen Beschlussklägers erfasst, könne nicht angenommen werden. Die Rechtskraft der Kostenentscheidung im Vorprozess habe dagegen keinen Einfluss auf den anzuwendenden Umlageschlüssel.

Zugleich hat der BGH klargestellt, dass der Beschluss auch nicht – wie das Landgericht gemeint hatte – wegen eines "Ermessensausfalls" ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG schaffe zwar die Möglichkeit, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten davon eine Regelung zu beschließen, welche von dem vereinbarten bzw. gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweicht. Eine derartige Entscheidung bedürfe aber einer gesonderten Beschlussfassung – und zwar vor Erhebung der Sonderumlage, was hier nicht geschehen war. "Ein Ermessen für die Anwendung eines anderen Kostenverteilungsschlüssels stand den Wohnungseigentümern bei der Beschlussfassung über die Sonderumlage daher nicht zu."

Und noch ein weiterer Punkt wurde in Karlsruhe geklärt: Ein solcher Beschluss widerspricht auch nicht deswegen ordnungsmäßiger Verwaltung, weil den Wohnungseigentümern – wie es hier möglicherweise der Fall war - nicht bewusst war, dass sie vorab einen anderen Kostenverteilungsschlüssel hätten vereinbaren können. Denn die Wohnungseigentümer dürften sich ohne Weiteres an ihre Vereinbarungen halten und ihre Beschlüsse auf deren Grundlage fassen: "Sie sind nicht gehalten, vor jeder Beschlussfassung mögliche Änderungen der geltenden Vereinbarungen in Betracht zu ziehen."

BGH, Urteil vom 19.07.2024 - V ZR 139/23

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 19. Juli 2024.