Auf fehlerhafte Prospekte vertraut und Anleihen gekauft
Eine Aktiengesellschaft verfolgte das Geschäftsmodell, Immobilien günstig zu erwerben, sie zu modernisieren und anschließend gewinnbringend zu verkaufen. Sie finanzierte ihre Tätigkeit, indem sie acht Hypothekenanleihen öffentlich ausgab. Zwei davon zahlte sie ordnungsgemäß zurück, die anderen sechs mit einem Emissionsvolumen von insgesamt 450 Millionen Euro blieb sie schuldig. Ein Anleger kaufte zwischen 2010 und 2013 Wertpapiere der Anleihen 5, 6 und 7 von einem anderen Marktteilnehmer, weil er auf die entsprechenden Wertpapierprospekte der AG vertraute. Diesen waren die Jahresabschlüsse der Jahre 2008 und 2009 der AG beigefügt, die beide ein hohes Eigenkapital auswiesen. Allerdings waren in diesen Abschlüssen Forderungsausfälle, die eine Überschuldung der AG zur Folge hatten, nicht berücksichtigt worden. Sie wurden erst berichtigt und veröffentlicht, nachdem der Kläger die streitgegenständlichen Anleihen erworben hatte. Inzwischen ist die AG insolvent. Der Kläger verlangte von den zum Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihen tätigen Vorständen der AG unter anderem die Erstattung seiner Investitionen und stützte sich dabei auf die deliktische Haftung der Vorstände. Das Landgericht Düsseldorf gab der Klage im Wesentlichen statt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf und auch der Bundesgerichtshof bestätigten diese Entscheidung.
Erwerb der Anleihe auf dem Primär- oder Sekundärmarkt unerheblich
§ 264a StGB, der den Kapitalanlagebetrug unter Strafe stellt, unterscheidet dem BGH zufolge nicht zwischen Wertpapieren, die direkt von Unternehmen ausgegeben werden und denen, die von anderen Anlegern verkauft werden. Sowohl der Wortlaut als auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sprächen für eine einheitliche Behandlung des Betrugs. Die Karlsruher Richter begründen diese Haltung auch mit dem Zweck der Norm, die alle potenziellen Kapitalanleger vor möglicher Schädigung schützen und auch die Funktion des Kapitalmarkts sichern will – unabhängig davon, von wem das Papier gehandelt wird.
Kein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum gegeben
Die beklagten Vorstände können sich dem BGH zufolge nicht darauf berufen, dass die betreffenden Jahresabschlüsse einen "uneingeschränkten Bestätigungsvermerk" von einem Wirtschaftsprüfer bekommen haben. Der Vermerk sei nach den §§ 316 ff. HGB nur dann aussagekräftig, wenn der Prüfer alle relevanten Unterlagen zur Beurteilung der Vermögens- und Finanzlage zur Verfügung gestellt bekommen habe. Die Vorstände hätten also zum Beleg ihrer Redlichkeit darlegen und beweisen müssen, dass dem Wirtschaftsprüfer alle wesentlichen Unterlagen vorgelegen hätten. Da sie diesen Anforderungen nicht genügt hätten, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie hinsichtlich der Geschäftslage einem Irrtum unterlegen seien, die eine vorsätzliche Begehung des Anlagebetrugs ausschließe. Sie sind laut den Karlsruher Richtern zufolge deshalb zu Recht verpflichtet worden, dem Anleger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB Schadensersatz zu leisten.