Privatscheidungen von Doppelstaatlern – Fall Sahyouni
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Die Wirksamkeit von Privatscheidungen deutscher Doppelstaatler bestimmt sich nach dem neuen Kollisionsrecht, das gilt auch für Altfälle. Im Zweifelsfall geht deutsches Recht vor. Dies hat der Bundesgerichtshof am 26.08.2020 beschlossen.

Vor dem Scharia-Gericht

In Latakia/Syrien verstieß am 19.05.2013 vor einem Scharia-Gericht Raja Mamisch durch einen Bevollmächtigten seine Ehefrau Soha Sahyouni durch Ausspruch der religiösen Scheidungsformel. Am nächsten Tag erklärte das Gericht die Eheleute für geschieden. Die Frage, ob diese Scheidung in der Bundesrepublik wirksam ist, hat seitdem das OLG München, den EuGH und den Bundestag beschäftigt.

Die Partner hatten beide sowohl die syrische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit und hatten sich vor der Trennung - bedingt durch den syrischen Bürgerkrieg - in verschiedenen Ländern aufgehalten. Entschieden werden musste der Fall, da der Ehemann Ende Oktober 2013 die Anerkennung der syrischen Scheidung in der Bundesrepublik beantragte. Er verwies auf eine Abfindung seiner Ehefrau "wegen aller auf religiösen Vorschriften beruhenden Ansprüche" durch Zahlung von 20.000 US-Dollar.

Der Präsident des OLG München entschied als Vertreter der Landesjustizverwaltung in seinem Sinn, was jedoch die Ehefrau nicht akzeptieren wollte. Im nun folgenden gerichtlichen Verfahren stand das OLG München vor der Frage, welches Recht es bei Auslegung des § 107 FamFG bezüglich der Anerkennung zugrunde legen sollte. Mit der Einführung der VO Nr. 1259/2010 (Rom-III-VO) hatte der Gesetzgeber die frühere deutsche Kollisionsregel des § 17 EGBGB a. F. aufgehoben. Sie sei überflüssig, da die Rom-III-Verordnung alle Fälle abdecke.  Nach Vorstellung des Gesetzgebers hätten die Münchener Richter damit anhand der Verordnung prüfen sollen. Das hätte - so Antomo NJW 2018, 435 - auch der damals herrschenden Meinung entsprochen.

Das  bayerische Gericht argumentierte jedoch anders: Hier liege eine Privatscheidung vor. Darauf sei das europäische Recht nicht anwendbar. Der EuGH bestätigte schließlich im Dezember 2017 die Ansicht des Oberlandesgerichts. Mangels deutscher oder europäischer Kollisionsregel griff dieses auf die gemeinsame deutsche Staatsangehörigkeit zurück. Danach gelte § 1564 Satz 1 BGB mit dem Verbot außergerichtlicher Scheidungen; die Entscheidung des Scharia-Gerichts könne nicht anerkannt werden.

Reparaturgesetz anwendbar

Im Ergebnis setzte der BGH dies um. Allerdings wendeten die Karlsruher Richter den neuen § 17 Abs. 2 EGBGB an. Dieser ist im Dezember 2018 in Kraft getreten und war eine Reaktion auf die durch die Entscheidung des EuGH im Kollisionsrecht klaffende Lücke. Danach soll - mit gewissen Einschränkungen - das System der Rom-III-VO nunmehr entsprechend auf Privatscheidungen angewendet werden. Diese Norm sei nach ihrer Entstehungsgeschichte gerade auf die Reparatur des hier aufgetretenen Problems gemünzt und auch auf Altfälle anwendbar, so der XII. Zivilsenat. Er kam bei seiner Prüfung allerdings zum Ergebnis, dass durch die im Vorfeld der Scheidung und Trennung ständig wechselnden Aufenthalte in unterschiedlichen Ländern kein "gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthaltsort" bestimmbar sei. Somit sei nach Art 8 lit. c Rom-III-VO die Staatsangehörigkeit der Partner entscheidend. Hier gelte nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB der Vorrang des deutschen Rechts. Bei Einführung der europäischen Regelung wurde nach Ansicht des BGH bewusst darauf verzichtet, die "unionspolitisch sensible Frage" des Umgangs mit Mehrstaatlern zu klären. Dies habe man den Einzelstaaten überlassen, und dort sei der "absolute Eigenrechtsvorgang" weit verbreitet.

Ergänzend wiesen die Bundesrichter darauf hin, dass auch die Anwendung syrischen Rechts kein anderes Ergebnis rechtfertigen würde: Eine einseitige Scheidung gegen den Willen der Ehefrau entspräche nicht dem deutschen ordre public.

BGH, Beschluss vom 26.08.2020 - XII ZB 158/18

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW- und beck-aktuell-Redaktion, 7. Oktober 2020.