BGH verweist Verfahren zu Grenzen rechtsstaatswidriger Tatprovokation zurück

Der Bundesgerichtshof hat ein Verfahren wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln an die Vorinstanz zurückverwiesen, um die Rolle eines von der Polizei eingesetzten Verdeckten Ermittlers besser beurteilen zu können. In Betracht komme eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation. Der Verdeckte Ermittler hatte bei den angeklagten Kleindealern nach größeren Mengen an Cannabis und Kokain nachgefragt, die diese schlussendlich auch beschafften.

Verdeckter Ermittler fragte nach größeren Mengen

Nach den Feststellungen des LG betrieb der nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte K.H. im Zeitraum Oktober und November 2019 einen schwunghaften Handel mit Kleinmengen an Cannabisprodukten und Kokain. Spätestens Anfang März 2020 schloss er sich mit dem nicht revidierenden, bis dahin nicht vorbestraften Mitangeklagten I. zusammen, um fortan gemeinsam Betäubungsmittel zu veräußern. Am 04.03.2020 nahm ein Verdeckter Ermittler mit dem Angeklagten K.H. Kontakt auf, erwarb von diesem 10 Gramm Marihuana und fragte, ob es auch möglich sei, eine "größere Menge" zu erwerben. In der Folgezeit kaufte der Verdeckte Ermittler in drei weiteren Fällen Cannabisprodukte und Kokain im zweistelligen (Cannabis) beziehungsweise einstelligen (Kokain) Grammbereich, fragte dabei aber wiederholt nach der Möglichkeit einer größeren Lieferung, die er auf 3 kg Marihuana und 50 bis 100 g Kokain konkretisierte. Dem Angeklagten K.H. und dem Mitangeklagten I., die diese Menge an Betäubungsmittel nicht über ihre bisherigen Lieferanten beschaffen konnten und auch die hierfür üblichen Preise nicht kannten, gelang es schlussendlich, die vom Verdeckten Ermittler nachgefragten Mengen über den Angeklagten D.H. zu beschaffen. Bei der Übergabe der Betäubungsmittel an den Verdeckten Ermittler griff die Polizei zu.

Beurteilung rechtsstaatswidriger Tatprovokation erfordert weitere Feststellungen

Der BGH hat das landgerichtliche Urteil, soweit es den Angeklagten K.H. betrifft, unter Erstreckung auf den Mitangeklagten I. teilweise aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen, um eine weitere Aufklärung der für die Beurteilung der polizeilichen Tatprovokation notwendigen Tatsachen zu ermöglichen. Läge eine nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte rechtsstaatswidrige Tatprovokation vor, würde dies ein Verfahrenshindernis begründen. Dafür kommt es laut BGH entscheidend darauf an, ob der Täter und gegebenenfalls in welchem Umfang bereits in Betäubungsmittelgeschäfte verwickelt war und inwieweit der Verdeckte Ermittler physischen oder psychischen Druck aufgebaut hat. Zu prüfen sei die Möglichkeit einer "Aufstiftung" zu deutlich gewichtigeren Straftaten.

D.H. durch Verdeckten Ermittler nicht rechtsstaatswidrig beeinflusst

Die Revision des nur mittelbar von dem Einsatz des Verdeckten Ermittlers betroffenen Angeklagten D.H. hat der BGH dagegen verworfen, weil ihm gegenüber keine Anhaltspunkte für eine – auch nur mittelbare – rechtsstaatswidrige Beeinflussung durch den Verdeckten Ermittler ersichtlich waren.

BGH, Urteil vom 16.12.2020 - 1 StR 197/21

Redaktion beck-aktuell, 16. Dezember 2021.

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