"Por­sche-Mord" war nicht heim­tü­ckisch
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Wer als Er­pres­sungs­op­fer in einer Not­wehr­la­ge einen an­de­ren er­schie­ßt, er­füllt nicht den Tat­be­stand des Mord­merk­mals der Heim­tü­cke. Der Bun­des­ge­richts­hof hob das Ur­teil im so­ge­nann­ten "Por­sche-Mord" auf und än­der­te den Schuld­spruch in Tot­schlag. Ein Er­pres­ser müsse immer damit rech­nen, dass sein Opfer das Not­wehr­recht aus­übe – er könne des­halb nicht arg­los sein. Au­ßer­dem müsse man bei wer­ten­der Be­trach­tung das Mord­merk­mal ein­schrän­kend aus­le­gen, wenn das Opfer die Not­wehr­gren­zen über­schrei­te.

Ein­trei­ben ex­or­bi­tan­ter Ver­zugs­zin­sen führt zum Tod

Ein Ko­ka­in­dea­ler und sein Kunde pfleg­ten mo­na­te­lang eine gute Hand­lungs­be­zie­hung, in der der Kon­su­ment immer zum Mo­nats­en­de be­zah­len durf­te. Im No­vem­ber 2019 kün­dig­te der Händ­ler diese Zah­lungs­ver­ein­ba­rung je­doch und ver­lang­te die so­for­ti­ge Be­zah­lung. Da der an­de­re das nicht leis­ten konn­te, häuf­ten sich so­ge­nann­te Straf­zin­sen bis zu 1.000 Euro pro Woche an, die der Dea­ler von ihm for­der­te. Erhob der Kunde Be­den­ken gegen diese er­heb­li­chen Mehr­for­de­run­gen, ern­te­te er Schlä­ge und Dro­hun­gen. In sei­ner Not zahl­te er Sum­men in drei­stel­li­ger Höhe, ob­wohl diese aus sei­ner Sicht nicht ge­schul­det waren. Am Ende woll­te der Dea­ler 8.000 Euro von ihm, die er nicht auf­brin­gen konn­te. Am Tag der Tat be­haup­te­te der Kon­su­ment, seine Mut­ter habe einen Kre­dit für ihn auf­ge­nom­men und ver­ab­re­de­te sich mit dem an­de­ren in sei­nem El­tern­haus. Nach­dem er dort wie­der­um Schlä­ge ein­ste­cken muss­te und be­droht wurde, holte er eine Pis­to­le vom Dach­bo­den. Da­nach setz­te er sich zu dem an­de­ren in des­sen Por­sche vor dem Haus. Von der Rück­bank aus ver­lang­te er unter Vor­hal­tung der Waffe mehr Zeit für die Geld­be­schaf­fung. Der an­de­re lach­te ihn aus, "was er denn mit die­sem Spiel­zeug wolle?". Er droh­te ihm wei­ter und mach­te eine Hand­be­we­gung zum An­ge­klag­ten, wor­auf­hin die­ser drei töd­li­che Schüs­se auf ihn abgab. Das Land­ge­richt Mün­chen I ver­ur­teil­te ihn wegen Mor­des zu einer le­bens­lan­gen Frei­heits­stra­fe, weil es der An­sicht war, er habe heim­tü­ckisch ge­han­delt. Der An­ge­klag­te erhob Re­vi­si­on zum Bun­des­ge­richts­hof - mit Er­folg.

Keine Heim­tü­cke für Er­pres­sungs­op­fer in Not­wehr­la­ge

Der 1. Straf­se­nat hob den Schuld­spruch auf und än­der­te ihn in Tot­schlag, weil er keine Mord­merk­ma­le er­füllt sah. Ins­be­son­de­re die Heim­tü­cke in § 211 Abs. 2 StGB sei nicht ge­ge­ben, weil der Täter ein Er­pres­sungs­op­fer des Ko­ka­in­händ­lers war und er sich zum Zeit­punkt der Tat auch in einer Not­wehr­la­ge be­fand. Ein Er­pres­ser in die­ser Si­tua­ti­on sei nicht arg­los, weil er je­der­zeit mit der Aus­übung des Not­wehr­rechts durch sein Opfer rech­nen müsse. In die­ser Kon­stel­la­ti­on müsse das Mord­merk­mal der Heim­tü­cke ein­ge­schränkt aus­ge­legt wer­den: Einem sich weh­ren­den Er­pres­sungs­op­fer könne man nicht das Ri­si­ko auf­bür­den, dass er bei Über­schrei­tung der Not­wehr­gren­zen zu­gleich das Mord­merk­mal der Heim­tü­cke ver­wirk­li­che. Der BGH ver­wies den Fall zur er­neu­ten Ver­hand­lung zu­rück an eine an­de­re Kam­mer des Land­ge­richts Mün­chen I.

BGH, Beschluss vom 18.11.2021 - 1 StR 397/21

Redaktion beck-aktuell, 11. Januar 2022.

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