21 Partnervorschläge als "Hauptleistung" vereinbart
Die Klägerin im konkreten Fall schloss in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der beklagten Agentur einen Partnervermittlungsvertrag. In den Vertragsunterlagen war unter anderem bestimmt, dass die Beklagte als "Hauptleistung" 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstellt. Hierauf sollten 90% und auf die "Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten" 10% des Honorars entfallen. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Klägerin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass die Beklagte mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginne. Ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Beklagten vollständig erfüllt sei.
OLG: Wertersatz für drei Partnervorschläge
Am folgenden Tag zahlte die Klägerin an die Beklagte das vereinbarte Honorar in Höhe von 8.330 Euro. Am selben Tag übermittelte die Beklagte der Klägerin drei Kontakte, die dieser jedoch nicht zusagten. Die Klägerin "kündigte" daraufhin nach einer Woche den Vertrag. Die Beklagte macht geltend, das Partnerdepot erstellt und damit ihre Leistung vollständig erbracht zu haben. Das Landgericht wies die auf Rückzahlung der 8.330 Euro gerichtete Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das Oberlandesgericht die Beklagte hingegen zur Rückzahlung. Von der Klageforderung seien aber 1.191 Euro abzuziehen, da die Klägerin drei der insgesamt 21 geschuldeten Partnervorschläge erhalten habe und der Beklagten daher Wertersatz in dieser Höhe schulde.
BGH: Widerruf der Klägerin war wirksam
Der BGH hat jetzt die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin könne den Großteil des geleisteten Betrags zurückverlangen. Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB seien im Fall des wirksamen Widerrufs eines Verbrauchervertrags die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Parteien hätten im konkreten Fall einen widerruflichen Verbrauchervertrag im Sinn des § 312 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 310 Abs. 3 BGB außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) geschlossen. Der von der Klägerin erklärte Widerruf war nach Ansicht des BGH auch wirksam. Das Widerrufsrecht sei nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB ausgeschlossen gewesen, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass sie jedenfalls ihre Hauptleistungspflicht vollständig erfüllt hätte. Für die Auslegung, welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, sei entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte.
Für Hauptleistung ist Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge entscheidend
Nach diesen Maßstäben habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint, dass die Beklagte ihre Leistung vollständig erbracht hatte. Die bloße Erstellung des Partnerdepots sei nicht (ausschließliche) Hauptleistungspflicht der Beklagten. Vielmehr sei für den Kunden der Beklagten allein die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese Leistung habe die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Darüber hinaus sei der Kunde auch darauf angewiesen, dass die Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind.
Andere Bestimmung der Hauptleistung in AGB unwirksam
Für ein anderes Verständnis könne sich die Beklagte nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen, nach denen die "Hauptleistung" (allein) in der Erstellung eines 21 Partnervorschläge umfassenden Partnerdepots liegt. Diese Bestimmung sei gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen könne der Vertragsgegenstand nicht verändert werden.
EuGH-Rechtsprechung für Gegenanspruch maßgeblich
Der Gegenanspruch der Beklagten auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB sei jedenfalls geringer als der Betrag, den das Berufungsgericht von der Klageforderung abgezogen hat, so der BGH weiter. Für die Berechnung dieses Wertersatzes sei die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich, weil das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 und § 355 Abs. 1 BGB sowie seine Rechtsfolgen auf der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher beruhen. Laut EuGH (NJW 2020, 3771) sei auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Daraus ergebe sich kein Anspruch der Beklagten, der 1.191 Euro übersteige. Eine Ausnahme von einer zeitanteiligen Berechnung gelte nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsehe, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht jedoch vor.