Ordentlicher Rechtsweg gegen Insolvenzantrag der Staatsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 10.06.2020 entschieden, dass sich ein Angeklagter gegen den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen ihn nur vor den ordentlichen Gerichten wehren kann (§§ 23 ff. EGGVG). Das Gericht stufte die Maßnahme als Justizverwaltungsakt ein. Überprüft werde nur, ob die Forderungen bei der Staatsanwaltschaft angemeldet wurden – nicht, ob sie berechtigt sind.

Falsche Krebsmedikamente abgerechnet

Ein Apotheker soll 59 Male bei der Zubereitung von Krebsmedikamenten weniger als den verordneten Wirkstoff zugefügt und dafür bei den gesetzlichen Krankenkassen zu Unrecht rund 14 Millionen Euro abgerechnet haben. Das Landgericht Essen verurteilte ihn deshalb wegen Betrugs in Tateinheit mit Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und zog die Taterträge nach § 73c StGB ein (Rechtskräftig mit Beschluss vom 10.06.2020, BGH - 4 StR 503/19). Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 111i Abs. 2 StPO über das Vermögen des Apothekers, da die Krankenkassen Forderungen in Höhe von 32 Millionen Euro anmeldeten und sein Vermögen diese Ansprüche nur zu je 24% befriedigen würde. Der Angeklagte verlangte zunächst beim Verwaltungsgericht die Rücknahme des Insolvenzantrags, wurde jedoch an das OLG Hamm verwiesen. Nachdem er selbst Insolvenzantrag gestellt hatte, forderte er nur noch die Feststellung, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft rechtswidrig gewesen war. Das Oberlandesgericht hielt seine Klage für unbegründet, weshalb er sein Anliegen mit der Rechtsbeschwerde zum BGH weiterverfolgt.

Ordentlicher Rechtsweg gegeben

Der Bundesgerichtshof stellte zunächst einmal fest: Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Apotheker zu stellen, ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet. Die Staatsanwaltschaft stelle den Antrag in Vertretung für den Staat als Gläubigerin des Einziehungsanspruchs aus eigenem Recht - sie handle also wie jeder andere Gläubiger und gerade nicht in spezifisch strafprozessualer Weise. Eine Beschwerde nach § 111k Abs. 3 StPO sei nicht statthaft, da der Insolvenzantrag weder eine Beschlagnahme noch den Vermögensarrest vollziehe. Auch § 459o StPO sei nicht einschlägig, weil die Antragstellung noch während des laufenden Strafverfahrens ergangen ist und deshalb das Urteil nicht vollstrecke, so der 5. Strafsenat. Das Gericht dürfe dabei nur überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO gegeben sind - nicht, ob die geltend gemachten Forderungen der Verletzten berechtigt sind.

BGH, Beschluss vom 10.06.2020 - 5 ARs 17/19

Redaktion beck-aktuell, 7. Juli 2020.